Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
259 - Die Stunde der Wahrheit

259 - Die Stunde der Wahrheit

Titel: 259 - Die Stunde der Wahrheit
Autoren: Michelle Stern
Vom Netzwerk:
ihr vereinbart hatte: Sie trug eine kleine blaue Muschel an einer langen Pflanzenkette um den Hals. Ungewöhnlich für eine Hydritin; üblich war Schmuck, der eng saß und im Wasser nicht gegen Gesicht oder Kinn treiben konnte.
    Quart'ol machte eine ehrerbietige Geste. Er hatte zusätzlich mit Bel'ar ausgemacht, dass Ner'je einen bestimmten Satz aufsagen sollte.
    Die Hydritin zögerte. »Muss das wirklich sein, Quart'ol?«
    »Ich bitte darum.« Der Wissenschaftler war verlegen. Ihm war auf die Schnelle nichts anderes eingefallen.
    »Die Stunde der Wahrheit ist nah«, sagte die Hydritin.
    Quart'ol nickte leicht. »Entschuldigt, Rätin Ner'je, aber es war notwendig, um ganz sicher zu sein, dass Ihr es seid. Was ich Euch zu erzählen habe, wird Euch überraschen.«
    Er betrachtete die zierliche Hydritin mit dem meergrünen Scheitelkamm. Ihr Gesicht war nicht hübsch, aber offen und freundlich. Die Linie der Wangenknochen war eher grob und die Schuppen waren ein wenig zu großflächig für das gängige Schönheitsideal. Aus ihren Augen sprach ein wacher, aufmerksamer Geist. Sie trug einen dicken Beutel an ihrem Gürtel. Ihre Kleidung war schlicht: ein heller Lendenschurz, ein knappes Oberteil aus über hundert winzigen weißen Muschelschalen und mehrere einfache Arm- und Fußreifen unterhalb der Schwimmdornen ließen nicht erahnen, dass sie eine Hydritin des Rates war.
    »Nun, ich bin schon sehr gespannt.«
    Quart'ol erzählte erneut, was er erlebt hatte und was geschehen war. Auch Ner'je gegenüber erwähnte er Gilam'esh vorerst nicht. Es reichte, was er ihr über Gilam'esh'gad, seine Bewohner und die Vergangenheit der Hydriten zu berichten hatte.
    »Zeig es mir«, forderte Ner'je ihn auf. Wie verabredet holte sie das kleine Lesegerät hervor, das sie im Beutel bei sich trug.
    Quart'ol zog den Kristall hervor und legte ihn in eine kleine Mulde. Ner'je aktivierte das halbkugelförmige Gerät. Helle Lichtstrahlen brachen aus einer dünnen Öffnung. Sie wurden mehr und mehr zu einem Bild, das frei im Wasser schwebte.
    Gilam'esh'gad erschien in Miniaturen in den Fluten. Die Bilder wechselten in rascher Folge. Es gab spielende Kinder zu sehen, verwachsene Hydriten im Naherholungsgebiet und einen grimmig aussehenden Wächter vor einem monumentalen Gebäude, einer großen weißen Muschel mit spindelförmiger Spitze.
    Ner'je schwieg, während sie ein Bild nach dem anderen betrachtete. Dann berührte sie das Lesegerät und die Bilderflut stoppte. »Ich habe genug gesehen, um die Richtigkeit deiner Aussagen in Erwägung zu ziehen. Wäre es möglich, mir diesen Datenkristall auszuleihen, damit ich ihn auf Manipulationen überprüfen kann?«
    Quart'ol machte eine zustimmende Geste. Er hatte mit dieser Bitte gerechnet. »Gerne. Aber gebt acht, Rätin Ner'je, dass der Kristall nicht in falsche Hände gerät. Der Gilam'esh-Bund hat überall seine Anhänger.«
    »Ich verstehe. Ich schlage vor, dass wir uns morgen um dieselbe Zeit wieder hier treffen. Dann werden wir alles Weitere besprechen. Vielleicht wird es mir möglich sein, eine geheime Untersuchungskommission mit dem Projekt Gilam'esh'gad zu betrauen. Ich würde sie selbst leiten.« In die Augen der Hydritin trat ein Glanz, den Quart'ol nur zu gut kannte: Wissensdurst.
    Er klackte zustimmend. »Es wäre mir eine Ehre, Euch nach Gilam'esh'gad begleiten zu dürfen, Ratsherrin.«
    Ner'je verstaute den Datenkristall sorgfältig. Dann schwamm sie so leise davon, wie sie gekommen war.
    ***
    Am nächsten Tag
    Quart'ol war zusammen mit Bel'ar frühzeitig zum Platz der Gemeinsamkeit aufgebrochen. Die Hydritin hatte es sich nicht nehmen lassen, dieses Mal mitzukommen. Beunruhigt standen die beiden Hydriten im Schatten mehrerer steinerner Statuen, die eine stilisierte Hydritenfamilie darstellten. Sie alle trugen die klassische Gewandung der Gilam'esh-Hydriten: einfache Hüftbedeckungen aus geflochtenen Pflanzenfasern, die eng anlagen und im Wasser nicht aufbauschten.
    Quart'ol beobachtete zwei junge Hydriten, die auf einer Moosfläche vor einer Muschelbank miteinander Jer'lag spielten. Dabei versuchte jeder von ihnen, den anderen beim Schlagen einer Rolle im Wasser an Kreativität und Schnelligkeit zu übertreffen.
    Jer'lag war gerade unter Junghydriten ein beliebtes Spiel, fast schon eine Kunstform. Trotzdem misstraute Quart'ol besonders diesen beiden. Ihr Spiel wirkte künstlich auf ihn, die Worte zu gewollt der Sprache der Junghydriten angepasst. Zudem trug einer der beiden bereits ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher