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2586 - Die Sektorknospe

2586 - Die Sektorknospe

Titel: 2586 - Die Sektorknospe
Autoren: Wim Vandemaan
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sie ins Schlafzimmer bringen, damit sie sich auf ein Nickerchen hinlegen konnte. Sie wollte nicht. Sie ging an meinem Arm vors Haus, auf die Porch. Sie fühlte sich an wie trockenes Holz, so leicht.
    Ich hob sie auf die Schaukel wie ein Gespenst. Die beiden Ketten quietschen gar nicht; sie quietschten erst, als ich mich dazusetzte.
    Wir saßen eine Weile nur so da, schauten auf die Chollas. Die Kakteen waren groß wie Bäume, standen aufrecht und weit verzweigt, eine Wachmannschaft. Ihre Blüten bronzefarben. Elvis, Grandmas Collie, patrouillierte durch ihren Obstgarten; die Enten und Perlhühner veranstalteten einen Heidenspektakel, als ginge es ihnen an die Gurgel. Der Duft von wilden Blumen erfüllte berauschend die Luft.
    »Pitty«, erklärte Grandma wieder einmal, »das Leben ist eine vorläufige Veranstaltung.«
    »Yes, Ma'am.«
    »Irgendwann heißt es: Zeit zu gehen.«
    »Yes, Ma'am.«
    »Und heute bin ich an der Reihe.«
    Ich hatte mir einen Ast gegriffen und tat, als ob ich damit etwas auf die Bohlen der Veranda schriebe. Meinen Namen. Das war ja alles, was ich in der Schule gelernt hatte.
    »Du?«, fragte ich und lachte so unbekümmert, wie es eben ging. »Noch lange nicht. Du bist beieinander wie ein Ochse.«
    Sie lachte leise. »Ein Ochse? Du meinst eine alte Kuh. Wennschon. Als ob Ochsen unsterblich wären.«
    Gutes Argument.
    »Denkst du manchmal an den Himmel?«, fragte sie.
    Nicht erst seit den Belehrungen durch Tab wusste ich, dass der Himmel, wie immer er war, nicht der Ort sein würde, wo ich nach den mir zugemessenem Quantum Licht der Welt meine Zelte aufschlagen würde. Mein jenseitiger Wohnort würde auch gar keine Zelte nötig machen. Es wäre dort auch ohnedies heiß genug.
    Aber ich wollte sie trösten und sagte: »Ich glaube, der Himmel ist ganz okay. Man trifft dort alle möglichen Leute wieder, und nichts tut weh. Und man hat vor nichts mehr Angst, weil man ja da oben nicht sterben kann. Das hat man hinter sich. Überhaupt: Wenn man stirbt, hat man das Schlimmste hinter sich, und das
    Schlimmste kommt nur einmal. So ist es eigentlich gut eingerichtet.«
    Ich hätte mir am liebsten auf die Zunge gebissen, weil ich den Tod das Schlimmste genannt hatte und Grandma in einem Alter war, wo der Tod nicht mehr grundsätzlich nur den anderen zustieß.
    Vor allem denen, die sich beim Ziehen ihrer Knarre zu viel Zeit ließen.
    Grandma lächelte. »An dir ist ein Prediger verloren gegangen.«
    Ich nickte ernst.
    »Pitty«, sagte sie leise. »Ein lieber Gott mit einem Rauschebart wie Abe Lincoln, nur in Weiß oder Grau wie Baumwolle. Die Engelein, die die ganze Ewigkeit durch frohlocken und Halleluja zum Banjo singen - ich kann das alles nicht glauben. Das ist wie eine Puppenstube für die Seelen, nicht wahr?«
    Ich nickte und schrieb mit dem Ast in den Staub. Manchmal bedauerte ich, nicht mehr schreiben zu können als meinen Namen. Dann hätte ich ihr gerne aufgeschrieben, wie sehr sie mir am Herzen lag, was sie mir bedeutete. Es ihr zu sagen hatte ich nicht den Mut.
    Nichts habe ich bis heute mehr bedauert als diese Feigheit; und ich habe mir danach geschworen, nie mehr feige zu sein.
    Sie sagte: »Ich glaube, diese Ewigkeit - die birgt kein großes Geheimnis. Die kennen wir schon. Wir waren schon einmal da, bevor wir geboren wurden. Und schlimm war es doch nicht, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich damals nicht so ganz verstand, was sie meinte.
    Sie lachte, und das Lachen strengte sie an. »Ich meine: Warum soll es dann auf der anderen Seite der Ewigkeit schlimmer sein? Dort ist alles einfach vergessen. Unermesslich vergessen. Auch man selbst.«
    Ich nickte wieder. Ich weiß noch, in der Luft hing ein merkwürdiger Duft, etwas wie Zimt, und ganz fern im Hintergrund hörte ich den Rio Grande leise rauschen.
    Es war so still geworden wie noch nie.
    Als ich Grandma anschaute, blickten ihre Augen nicht mehr.
    Oder sie blickten in dieses unermessliche Vergessen, an das sie geglaubt hatte.
    Ich schloss ihr die Lider, hob sie von der Schaukel, trug sie ins Haus, ritt zum Bestatter und erledigte, was zu erledigen war.
    Drei Tage später machte ich mich mit Boone und Cassius auf den Weg.
    Der Wind raunte in den Chollas, und mein Sattel knarrte den Refrain dazu.

»Aller Rätsel Lösung«
     
    Manchmal musste man einfach Glück haben.
    Sie hatten keines. Über den Platz tobte der Eissturm heftiger denn je und hielt sie weiterhin vom Übergang ab.
    »Was soll das?«, fragte Rhodan.
    »Eine
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