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258 - Chronik des Verderbens

258 - Chronik des Verderbens

Titel: 258 - Chronik des Verderbens
Autoren: Michelle Stern
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Krake sank langsam hinunter. Der Marsianer und die Hydritin sahen zu, wie Korr'ak in der Dunkelheit verschwand. Es würde nicht lange dauern, bis er wieder zu Bewusstsein kam. Wie lange dauerte es wohl, bis er seinen Körper wieder vollständig nutzen konnte?
    Vogler wollte den Zeitpunkt nicht abwarten.
    Die Qualle wendete. Noch einmal sah Vogler hinab. Ich wünsche dir Glück, Korr'ak , dachte er. Und uns beiden wünsche ich, dass du nie zurückkehrst. Such deinen Frieden woanders.
    Vogler freute sich schon darauf, Dra'nis vom glücklichen Ausgang der Jagd zu berichten. Er lehnte sich in dem bionetischen Sitz zurück und schloss die Augen. Bald würde er endlich schlafen dürfen.
    ***
    Eine Stunde zuvor
    Dra'nis' Herz - das nicht das seine war - schlug hart gegen den fremden Brustkorb. Ein Zittern hatte den Körper des Einäugigen ergriffen, das ihn nicht mehr loslassen wollte.
    Er war allein. Die beiden Hydriten - Mir'tar und Lar'az -, die ihn bewachen sollten, hatten den Schacht verlassen. Vor längerer Zeit schon, und ohne zurückzukehren. Vielleicht waren sie draußen bei den Transportquallen. Seit einer Ewigkeit lag Dra'nis still im kalten Wasser auf einer Moosbank. Der Wasserdruck lastete unangenehm auf ihm, aber der fremde Körper war gut trainiert, und in seiner Angst spürte er es kaum.
    Er hatte einen guten Teil des Gespräches belauscht, das die Hydriten des Bundes in seiner Gegenwart geführt hatten. Sie wollten die Stadt zerstören!
    Seitdem hielt die Angst ihn im Griff. Was würde dann aus Ser'nar, seiner Mutter? Aus seinem Vater Ber'tan, aus Onkel Mor'tras und all den anderen?
    Er wollte handeln, aber die Angst hinderte ihn. Sie umkrallte ihn, presste ihn zusammen und drückte ihm die Kiemen ab. Gurgelnd sog er das Wasser ein.
    Ich muss hier weg! Ich muss sie warnen! Wenn ich nur zu Vog'ler und Pozai'don könnte! Sie wissen immer, was zu tun ist. Und Onkel Mor'tras ist meistens auch bei ihnen…
    Aber zuerst musste er hier aus dem Schacht heraus, und schon daran scheiterte er. Gegen seinen Willen hatte man ihm den eigenen, vertrauten Körper entrissen. Die fremde Hülle, in der sein Geist nun steckte, der fremde Geruch, den er über die Partikel in seine Kiemen sog, und vor allem das ständige Gefühl, von einem mächtigeren Geist abgestoßen zu werden, ängstigte ihn zusätzlich.
    Obwohl Hak'dons Geist nicht in seinem Körper war, hatte er doch eine Barriere errichtet, die der Junge spüren konnte. Er wusste nicht, ob er den erwachsenen Körper überhaupt bewegen konnte. An Hak'dons Erinnerungen kam er nicht heran; sie lagen gesichert hinter hohen Mauern, wie von einer Feuerwand geschützt.
    Außerdem war er gefesselt, mit harten gedrehten Pflanzenfasern. Allein würde er sich niemals befreien können…
    Ich muss es versuchen! , schrie ein Teil in ihm. Ich muss hier wegkommen und die anderen warnen!
    Aber dann tun sie mir weh! , meldete sich eine andere Stimme. Wenn sie mich erwischen, verfüttern sie meinen richtigen Körper an die Ichthyosaurier!
    Der Gedanke war wie ein Schwall Eiswasser, der über seinen Körper rann. Aber war die Stadt nicht wichtiger als sein Leben? Oder besser: als sein Körper?
    Dra'nis schluchzte. Er stellte sich vor, Vog'ler sei bei ihm. In seiner Gedankenwelt lag die Hand des gütigen Baumsprechers auf seinem schiefen Rücken.
    Vog'ler hätte es geschafft. Er hätte alles geschafft! Vog'ler kam vom Mars und lebte eigentlich an der Luft. Trotzdem war er bis zur Erde gereist und tief hinab ins Meer getaucht. Trotzdem wohnte er jetzt über zehntausend Meter unter dem Meeresspiegel in Gilam'esh'gad! Vog'ler konnte alles .
    Gilam'esh hilf! Der Junge krallte die Finger in die Hände, dass die scharfen Krallen aus Hornplättchen fast hinein schnitten. Zumindest wusste er nun, dass er den fremden Körper bewegen konnte.
    Ich zähle bis drei und dann versuche ich es… Dra'nis konzentrierte sich, nahm all seinen Mut zusammen. Eins… zwei… drei!
    Er riss an den Fesseln, bis die Schuppen des Einäugigen wund wurden. Es half nichts. Die Stricke saßen fest. Im schwachen Licht der Leuchtmikroben musste Dra'nis es einsehen: Es war egal, ob die beiden Wächter hier waren oder nicht.
    Und mehr noch, kam ihm zu Bewusstsein: Waren die beiden weg, hatte er nicht nur seine Gefängniswärter verloren, sondern auch seinen Schutz! Was sollte er tun, wenn die Ichthyosaurier kamen? Oder die gefräßigen Karkasi-Kegelschnecken?
    »Oh, oh«, klackerte er voller Angst und riss erneut an den
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