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250 - Rückkehr nach Euree

250 - Rückkehr nach Euree

Titel: 250 - Rückkehr nach Euree
Autoren: Jo Zybell
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schreiben konnte.
    Der abermals harte Winter ließ nicht viel Raum für andere Aktivitäten als denen, Brennholz und Nahrung zu finden und so das Überleben der kleinen Gruppe zu sichern. War man zuerst noch relativ wählerisch, was Lebensmittel betraf, gingen die Technos im Februar 2523 dazu über, auch Ratzen und Ungeziefer und die Rinde von Bäumen als Delikatessen zu akzeptieren.
    Ein Gutes hatte die gnadenlose Kälte allerdings: Sie veranlasste den Eluu, der London zu seinem Jagdrevier erkoren hatte, in wärmere Gefilde zu ziehen, und sie verbannte die Taratzen in die Schutzkuppel über dem Communitybunker. Niemand suchte nach den fünf Überlebenden der Communities in der London Bridge Station. Offensichtlich wussten Traysi und die Bestien nicht, wo die Demokraten sich verborgen hielten.
    Die Themse war bereits Mitte November zugefroren. Täglich gingen zwei der Gruppe los, um ein Loch in den Eispanzer zu hacken und den Speiseplan mit ein paar mageren Fischen zu bereichern. Eines Tages Anfang April brachten Merylbone und Hawkins eine Plastikflasche vom Eisfischen mit zurück, die sie neben dem gestrigen Loch gefunden hatten. In ihr steckte ein Stück zusammengerolltes und verschimmeltes Kunstleder.
    »Das stammt aus Sir Leonards Hauptquartier.« Angewidert betrachtete Valery Heath die verschimmelte Lederrolle. Mit spitzen Fingern entrollte sie den Kunstlederfetzen. »Eine Botschaft«, flüsterte sie überrascht. »Sie kann doch schreiben, jedenfalls ein wenig.«
    »Zeig her!« Josephine Warrington entriss ihr das Leder. Wort für Wort entzifferte sie die in fehlerhafter Orthographie hingekritzelte Botschaft. Hab James' Leiche gefunden , hieß es in ihr. Wenn Winter vorbei, bringt ihr Mörder. Oder ihr tot…
    ***
    Mai 2523 bis November 2523
    Endlich stiegen die Temperaturen wieder; die Schneeschmelze setzte ein. Mitte Mai führte die Themse Hochwasser und die Straßen der Ruinenstadt waren weit über den alten Bahnhof hinaus überflutet. In diesen Tagen beobachteten Lady Warrington und ihre Leute die Themse und die Umgebung der London Bridge Station mit Argusaugen. Doch weder Lords noch Taratzen zeigten sich. Entweder hatten sie das Interesse verloren, oder die Sorge um das eigene Überleben band die Kräfte der Feinde.
    Man hatte längst den Plan aufgegeben, den Bunker zurückzuerobern, und konzentrierte sich nunmehr darauf, den Bahnhof zum dauerhaften Quartier auszubauen und zu befestigen. Trotzdem war die Angst, von den Barbaren oder den Rattenmutanten entdeckt zu werden, ein ständiger Begleiter.
    Doch das Glück - sofern man bei diesen Verhältnissen von »Glück« reden konnte - war ihnen zugetan. Der nächste Winter, so viel stand Ende Oktober fest, würde keine Opfer und größeren Entbehrungen fordern. Die Speisekammern waren gut gefüllt, die Räume kältegedämmt. Doch dann… »Ein Boot!«, meldete Samuel Armadie eines kühlen Tages. Er hatte seinen Wachposten auf dem Ruinendach verlassen, um die Nachricht zum Unterschlupf der Demokraten zu bringen.
    »Wo?«, wollte Lady Warrington wissen.
    »Es ist ein kleines Ruderboot. Es hat sich am diesseitigen Themseufer im Gestrüpp verfangen. Jemand liegt in ihm und rührt sich nicht.«
    »Eine Falle«, flüsterte Valery Heath.
    »Jemand?« Eine steile Falte erschien zwischen Claudius Merylbones Brauen. Er war inzwischen zum Adjutanten der Prime aufgestiegen. »Geht es auch etwas genauer?«
    »Es ist wirklich schwer zu sagen.« Armadie zuckte mit den Schultern. »Sie liegt auf dem Bauch.«
    » Sie? « Lady Warrington trat bis auf einen Schritt an Armadie heran. »Machen Sie es nicht so spannend, Samuel!«
    »Eine Taratze, eine Fellpuppe, eine schwarze Frau - was weiß denn ich!« Armadie wirkte gereizt. »Es ist schwer zu sagen, hört ihr nicht zu?«
    »Eine schwarze Frau…?« Lady Warrington sprang auf. »Wir gehen gemeinsam nach draußen! Merylbone und Hawkins - nehmen Sie das Maschinengewehr mit!« Sie verloren keine Zeit mehr; alle fünf krochen sie durch den Hauptschacht nach oben ins Freie.
    Armadie führte sie an die Stelle, von der aus er das Boot mit dem Feldstecher gesehen hatte. Hundert Meter flussaufwärts hing es unter einer Trauerweide fest, deren Äste bis ins Wasser ragten.
    Sie ließen sich an einem Seil ins Boot hinab. Eine kraushaarige Gestalt im schwarzen Fellmantel lag darin. Lady Warrington beugte sich über sie und drehte sie um. »Allmächtiger - Cinderella…«
    Es war tatsächlich Cinderella Loomer, Ex-EWAT-Pilotin der Community!
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