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2493 - Der Weltweise - Leo Lukas

2493 - Der Weltweise - Leo Lukas

Titel: 2493 - Der Weltweise - Leo Lukas
Autoren: Leo Lukas
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des Kanalsystems tragen zu lassen. Nach dem Aufenthalt im Rüdenheim hatte er sich beschmutzt gefühlt, äußerlich wie innerlich.
    Jozzepok. Der ändert sich nie.
    Warum sollte er auch, wenn alles andere gleich blieb? Auch die Bevölkerungszahl war, so weit die Aufzeichnungen zurückreichten, im Großen und Ganzen stabil.
    Sahmsivil nach mehrmals in hohem Tempo Abzweigungen und steuerte dadurch auf kürzestem Wege sein Ziel an, einen winzigen Vorort der Siedlung Mhuirra. Unterwegs kam er an allerlei Handwerksbetrieben vorbei: Schmieden, Glashütten, sonstige Manufakturen ... Am häufigsten passierte er Werkstätten und kleine Fabriken, die den Tang weiterverwerteten, der in den Wäldern rings um die Insel geerntet wurde.
    Kelpasche war reich an Kalzium, Jod und Alkali. Unter anderem konnte sie zur Herstellung von Seife oder Glas verwendet werden. Aber auch Soda und Pottasche gewann man aus Kelp, Kohlenhydrate zur Verdickung von Gelee, Speiseeis oder Zahnputzpaste und vieles mehr.
    Nicht umsonst bezeichneten die Ckornauten ihre Algenwälder als »grüne Lungen«: Sie waren für die Zivilisation ebenso unersetzlich wie für den Einzelnen die Luft zum Atmen.
    Beklemmung erfasste Sahmsivil, sobald er den Zubringerkanal an der Einmündung des Fjords verlassen hatte und den gezackten Küstenverlauf entlang schwamm. Obwohl er den Bau, in dem er herangereift war, und die Frau, die ihn aufgezogen hatte, über alles liebte, tat es ihm im Herzen weh, sie jedes Mal in noch üblerem Zustand vorzufinden.
    Ckornauten waren wie ihre animalischen Ahnen eher Einzelgänger. Sie kooperierten aus Gründen der Vernunft, und bei besonderen Anlässen hielten sie Zusammenkünfte ab.
    Für gewöhnlich aber wohnte jeder allein in seinem Bau, grenzte sein bescheidenes Revier säuberlich mit unmissverständlichen Duftmarkierungen ab und pflegte abseits der beruflichen Tätigkeit gerade so viele Sozialkontakte wie unvermeidbar. Sie waren nun mal ein selbstgenügsames Völkchen, nicht erpicht auf Unfrieden und sonstige Sensationen.
    Ausnahmen bestätigten die Regel. Jozzepok zum Beispiel, der verbissene Rekordjäger.
    Oder Sahmsivil.
    Vielleicht war er anders, weil seine Mutter bei der Geburt gestorben war. Normalerweise nabelten sich Ckornauten spätestens mit sieben Jahren, wenn die Wachstumsphase endete, gänzlich von den Eltern ab.
    Er hingegen suchte Tante Soriskuan, die sich seiner angenommen hatte, auch danach regelmäßig auf. Die Abstände waren größer geworden, seit er die Ausbildung absolviert und den Posten als Lehrer für Topografie und Navigation angetreten hatte. Gleichwohl fühlte er sich Soriskuan verbunden; in der Seele, falls es so etwas gab.
    Ihr Lachen war das erste gewesen, das er gehört hatte. An ihre Berührungen dachte er mit Behagen zurück. Und ihren gutmütigen, grundgesunden Geruch würde er zeitlebens vermissen.
    Nicht zuletzt deshalb schockierte ihn das Odeur, das ihn empfing, nachdem er durch die verwitterte, poröse Lederklappe geschlüpft und im Erdgeschoss aufgetaucht war: der Gestank von Verfall, Verwesung, Verzweiflung.
    Soriskuan ruhte in der Wärmekuhle, wie meist. Müll umgab sie; nicht in gefährlicher Menge, doch bedenklich viel verglichen damit, wie klinisch rein sie früher ihre Wohnung gehalten hatte.
    »Mein Junge. Mögest du glücklich dahindriften!«
    »Mögest du glücklich dahindriften, liebe Tante!« Die Doppelbedeutung wurde ihm schmerzlich bewusst.
    Er tätschelte Soriskuans Nacken. Sie war 29, fünf Jahre jünger als Jozzepok, und doch diagnostizierten die ratlosen Heiler »Altersschwäche« und »fortschreitendes allgemeines Organversagen«.
    Bei jedem zögerlichen Luftholen rasselte es in ihrer Brust. Die Schnurrhaare hingen vergilbt herab. Ein grünlicher Schleier überzog ihre Pupillen.
    Sahmsivil legte sich zu ihr, schmiegte sich an sie und begann mit der Fellpflege. Ckornauten besaßen keine Speckschicht, die sie im Winter vor dem kalten Wasser des Ozeans schützte. Zum Ausgleich mussten sie den Pelz täglich putzen, sorgfältig sauber halten und einfetten.
    »Reinigen, bürsten, legen und föhnen«, hauchte die Tante matt. »Wie ich es dir beigebracht habe. Du bist ein braver Junge. Viel zu brav. Weißt du das?«
    »Ja, Mammale.«
    Er wusch sie, kämmte sie, massierte sie am ganzen lahmen, abgemagerten Leib. Das Fell gesunder Ckornauten war extrem dicht, prall von Haaren, bis zu einer halben Million pro Quadratzentimeter, damit keine Feuchtigkeit durchdringen konnte. Soriskuans
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