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244 - Der dunkle Traum

244 - Der dunkle Traum

Titel: 244 - Der dunkle Traum
Autoren: Volker Ferkau
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Dichter, Maler, Komponisten, Politiker. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg!«
    Rulfan nickte.
    »Mir scheint, das Gespräch ermüdet dich?«
    »Ich erinnere mich an Stonehenge. Das Zeichen einer frühen Zivilisation. Und an die erhabene Schönheit der Steine.«
    »Stonehenge wurde von klugen Menschen erbaut«, pflichtete Aldous ihm bei. »Es hat die Zeiten überdauert.« Er machte eine Pause und legte seine Stirn in Falten. Die nächsten Worte spuckte er fast aus: »Was, mein Freund, wird man in weiteren fünftausend Jahren über uns zu sagen wissen?«
    Rulfan schwieg. Er strich sich die Haare aus den Augen. »Lass uns morgen weiterreden, Aldous!«
    »Gut so, Rulfan. Es ist spät. Ich werde es mir am Feuer bequem machen…«
    »Wir können dir eine Hütte…«
    »Ich liebe es, am Feuer zu schlafen. Gehe zu deiner Lay und beruhige sie.«
    »Sie wird ungehalten sein.«
    »Ja, so ist das, wenn man nicht alleine lebt… Darf ich dir noch einen Ratschlag mit auf den Weg geben?«
    Rulfan, der sich eben anschickte, aufzustehen, bejahte.
    Aldous streckte seine Beine und ächzte. »In den höheren Ebenen des Kilimandscharo wächst die seltenste Pflanze der Welt, die Lorabi-Orchidee. Suche sie und bringe sie deiner Liebsten. Sie wird dir immer treu sein und für alle Zeiten dein. Nichts wird sie so sehr versöhnen wie diese Pflanze. Sie ist der Beweis innigster Verbundenheit.«
    »Davon habe ich noch nie etwas gehört.«
    »Wie viele Schamanen kennst du?«
    Rulfan grinste zustimmend. Aldous breitete die Arme aus. »Du musst dich entscheiden. Gehe und schenke Lay diese Pflanze. Sie wird dir nie wieder böse sein. Oder lass es und sehe, wie du sie zufrieden stellst…«
    »Woran erkenne ich diese Orchidee?«
    »Sie wird dich erkennen, Rulfan. Blau ist sie – strahlend blau…«
    »Vor oder hinter der Schneegrenze?«
    »Kurz davor. Und nun schlafe gut, Rulfan.«
    Der Mann aus Salisbury streckte seinen Rücken. Er blickte zu Aldous hinunter, der sich neben seiner Valvona einrollte. Das Kribbeln unter seiner Haut ließ nach. Was blieb, war ein wohliges Gefühl der Freundschaft.
    ***
    Rulfan war seit zwei Stunden unterwegs. Von den mit Moos bewachsenen Bäumen tropfte der Tau. In der Hochwaldzone war es kalt und Rulfan zitterte. Zwar hatte er sich, nachdem er heute am frühen Morgen aufgebrochen war, ein Tsebrafell umgelegt, aber es schützte ihn weniger als erhofft.
    Graureiher kurvten um Baumwipfel und Meckereis flatterten über ihm. Ihr Gackern klang wie das Gelächter einer betrunkenen Vettel. Hochmoorfarne, Lobelien und Senecien, mehr als vier Meter hohe Kakteenartige, gaben den Blick frei auf eine wunderbar weich geschwungene Heidelandschaft. Die Sonne schob sich über den Horizont. Rulfan blieb stehen, stützte sich auf seinen Säbel und blickte, die Augen mit der Hand abschattend, hinunter ins Tal. Der Wind fuhr durch seine langen weißen Haare. Er vermisste Chira und fragte sich, warum er heute früh die Lupa nicht zu sich gerufen hatte. Sie hätte ihn sicherlich gerne begleitet.
    Überhaupt: Welcher Teufel hatte ihn geritten, diese Orchidee zu suchen? Warum verhielt er sich wie ein Jüngling, der seiner Liebsten zu gefallen versucht? War das noch er, Rulfan, der Krieger? Der Neo-Barbar?
    Ein schmaler, von Wildwechseln geformter Weg führte vorbei an Heidekrautgewächsen, Strohblumen, tropischen Bäumen. Es war eine Symphonie der Farben. Es gab immer weniger Sträucher, immer kleinere Gewächse. Die Vegetation verschwand, die Steinwüste begann. Währenddessen schob sich die Sonne höher und es wurde warm.
    Rulfan bekam Kopfschmerzen. Er wusste, dass es an der Höhenluft lag und am Wassermangel. Er trank mit großen Schlucken. An einem Bergbach füllte er den Wasserschlauch wieder auf. Im Westen, tief unter ihm, graste eine Herde Efranten. Wasserböcke sprangen zwischen den Riesen umher. Rulfan erinnerte sich, einmal einen Wasserbock erlegt zu haben. Die Dorfgemeinschaft hatte ihn gewarnt, aber ihn gewähren lassen. Das Fleisch schmeckte ekelhaft. Rulfan schüttelte sich noch heute bei dieser Erinnerung. Zarr und die anderen hatten ihn ausgelacht. Lay hatte ihn an sich gedrückt und getröstet, wobei auch sie sich ein Lachen nicht verkniff. An diesem Tag hatte Rulfan seine wissende Arroganz verloren.
    Bald würde er an die Schneegrenze gelangen.
    Du findest sie kurz davor!
    Über ihm glühte der Gipfel des Berges flammendrot. Rulfan zwang sich, langsamer zu gehen. Er wusste, dass der Berg tückisch war. In höheren Lagen
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