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244 - Der dunkle Traum

244 - Der dunkle Traum

Titel: 244 - Der dunkle Traum
Autoren: Volker Ferkau
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dem nächsten oder übernächsten Wachstumsschub, – auch dies ein Erbe seiner pflanzlichen Gene –, wird Daa’tan verdorren und sterben.
    Fast schon trotzig drehte er sich wieder zum dunklen Fenster ihres Kerkers um und veränderte seine Gestalt.
    1. ALDOUS
    Rulfan blickte durch die Baumkronen hoch in einen rotgrauen Himmel und reckte sich. Zu seinen Füßen fielen Leitern ab, die in Felshöhlen führten. Er trat ein paar Schritte zurück und atmete den noch vom Morgennebel schwangeren Hauch des Bergdschungels ein.
    An diesem Massiv, in der Nähe zweier kleiner Seen, umgeben von Regenwald, lebte er seit fast einem Jahr. Nein, nicht in der Nähe des Sees, der einst verseucht worden war, sondern etwas davon entfernt. Die Bewohner des ehemaligen Forts hatten eine neue Bleibe gefunden.
    Ich bin der Big Master Of The Jungle!, dachte er und musste lächeln. So hatte Matthew Drax ihn mit gutmütigem Spott genannt. Damals, als sie…
    Über ihm raschelte es in den Baumwipfeln. »Grrr…!«
    Impulsiv legte Rulfan die Hand an den Griff seines Säbels, ein Geschenk seines Freundes Victorius de Rozier, eine vielfach gefaltete und meisterlich geschmiedete Waffe.
    »Nicht Säbel nehmen!«, grunzte es über ihm.
    Der riesige Schatten ließ sich fallen und der Boden unter Rulfans Füßen bebte, als ein Gorillamutant direkt vor dem Albino landete. Er überragte den weißhaarigen Hünen um zwei Köpfe und war breit wie ein Efrant. Seine Brustmuskulatur pumpte unter dem Lederharnisch. Die brauen Augen starrten Rulfan mit einer Mischung aus Wut, Verachtung und Hilflosigkeit an.
    »Hallo Zarr…«, sagte Rulfan gelassen.
    »Zarr in Bäume. Zarr viel und weit sieht. Fremder Mann kommt.«
    »Ein Fremder?«
    »Kleiner Mann… ganz blau überall… mit Tier dabei… sieht aus wie…« Dem Gorilla fehlten die Worte.
    Rulfan war baff gewesen, als er Zarr und dessen Artgenossen damals begegnet war. Gorillas, die sprechen konnten! Bei Orguudoos Dämonen, er hatte vieles gesehen und erlebt, sprechende Riesenaffen allerdings gehörten nicht dazu. Es hatte einige Monate gedauert, bis er die seltsamen Laute aus Zarrs Maul begreifen gelernt hatte. Rulfan erklärte es sich so, dass die Stimmbänder bei den Zilverbaks anders strukturiert sein mussten. Vielleicht hatten auch die Daa’muren ihre Finger im Spiel gehabt, wie bei so vielen absonderlichen Mutationen.
    Chira, Rulfans Lupa, kam von der Jagd zurück. Ihre ansonsten weiße Schnauze war rosa gefärbt. Sie leckte sich die Nase und umkreiste Zarr leise knurrend. Freunde waren die Gorillas und die mutierte Wölfin mit den doppelten Zahnreihen noch immer nicht geworden.
    »Lupa lästig!«, schnauzte Zarr.
    »Wie immer bestens gelaunt, nicht wahr?«, fragte Rulfan grinsend.
    Der Gorilla grunzte und zog die Wülste über seinen Augen zusammen. Bedrohlicher konnte ein Gorillamutant nicht aussehen. »Zarr hungrig. Zarr geht.«
    Der Sububabak, also der Zweite seines Volkes nach seinem Vater Azzarr, machte zwei Schritte und hangelte sich an einer Liane in die Höhe. Als er weit über ihnen war, spuckte er, sehr zielgenau, vor Rulfans Füße. Rulfan ballte die Faust und schüttelte sie, wobei er breit grinste.
    Zarr verharrte einen Moment, als überlege er, wie er die Geste deuten solle. Dann trollte er sich. Rulfan ging in die Hocke und streichelte Chira. »Siehst du das, meine Freundin? Er liebt mich wie am ersten Tag…«
    Weiter unten wurde der Bambusvorhang zur Seite genommen und Lay trat aus der Höhle. Sie blickte hoch und erklomm mit zwei eleganten Schwüngen die Leiter.
    Sie, nur sie alleine, war der Grund für Rulfan gewesen, nach der Verteidigung der Wolkenstadt an den Fuß des Kilimandscharo in die Ruinenstadt Taraganda zurückzukehren. Nur sie hatte Macht über ihn. Die Macht der Liebe.
    Wie immer war sie fast nackt. Ihre schwarze Haut glänzte in der Morgensonne und Blätterschatten tanzten über ihre kleinen nackten Brüste. Ein winziger Lendenschurz verhüllte ihre Blöße. Sie trug Stiefel aus Leepardenfell. Ihre Handgelenke waren mit Lederriemen umwickelt. Ihren Hals zierte eine Kette aus Muscheln und Tierzähnen. Ihre muskulösen Glieder glänzten. Vom Kraushaar über die Wange bis zur Schulter hinunter hatte sie eine gut verheilte Narbe, die ihrem wunderschönen Gesicht – ein großer voller Mund, schwarze Augen – Ausstrahlung und Kraft verlieh. Zwar selten, aber diesmal war es so, durchlief es Rulfan heiß, wenn er sich daran erinnerte, dass er es gewesen war, der ihr diese
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