Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
240 - Zeitsplitter

240 - Zeitsplitter

Titel: 240 - Zeitsplitter
Autoren: Manfred Weinland
Vom Netzwerk:
Schädel zertrümmert hatte, wie seine unschön verschobene Kopfform verriet.
    Etwas wie eine schwarze Spinne mit fetten Beinen bewegte sich auf Huxleys Gesicht zu. Parker brauchte zwei, drei Sekunden, um zu realisieren, dass es seine eigenen behandschuhten Finger waren, die wie von selbst auf seinen toten Kopiloten zukrochen, sich dann um die Erkennungsmarke schlossen, die Huxley aus dem Kragen gerutscht war, die Kette abrissen und ihre Beute träge zu Parker schafften.
    Dann stemmte er sich hoch, erst auf Hände und Knie. Er stöhnte, es tat weh – aber nicht so sehr, wie er befürchtet hatte. Was daran liegen mochte, dass die Kälte und der immer noch tobende Eissturm seinen Körper regelrecht betäubt hatten. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon hier lag, wie viel Zeit seit dem Absturz vergangen war. Zu lange konnte es allerdings nicht gewesen sein, sonst wäre er unterdessen erfroren.
    Wankend stand Parker irgendwann da. Ein gutes Stück vom Wrack ihres Flugzeugs entfernt. Aber nahe genug, um jetzt die Wärme, die davon ausging, bewusst wahrzunehmen, ebenso wie den glutfarbenen, flackernden Lichtschein. Die Maschine brannte. Vielleicht war es ja dieser Hauch von Wärme gewesen, der ihn vor dem Erfrierungstod bewahrt hatte.
    Parker wagte sich ein bisschen näher, zwei, drei Schritte nur. Es war gefährlich, denn noch mochte es in dem zerstörten Flieger etwas geben, das explodieren und scharfkantige Trümmer umherfliegen lassen konnte. Aber die Wärme lockte ihn an, wie es das Licht mit Motten tat.
    Der Sturm, obgleich er ein klein wenig nachgelassen hatte, zerrte an ihm. Die Sicht reichte keine dreißig Fuß weit. Aber Parker wusste, wie es hinter diesem Wirbel aus Schneeflocken und Eiskristallen aussah: weiß, so weit das Auge reichte – und darüber hinaus. Nirgends ein Kontrollpunkt, an dem der Blick sich festhalten konnte.
    So sah das Bild aus, das sie bisher im Zuge ihrer Operation zur Erkundung der Antarktis erstellt hatten.
    Und dafür wurden annähernd fünftausend Mann mobil gemacht und Gerät im Werte von Milliarden Dollar auf den Weg gebracht, dachte Parker, immer noch fassungslos darüber, aber im gleichen Zuge auch verzweifelt, wütend, voller Angst und Ungewissheit – unterm Strich das, was man hilflos nannte.
    Er wusste viertausendsiebenhundert Soldaten und Wissenschaftler in relativer Nähe, dazu einen Flugzeugträger, zwei Zerstörer, Tanker, Eisbrecher, Unterstützungsschiffe, ein U-Boot und fast dreißig Flugzeuge – und trotzdem fühlte er sich so einsam wie noch nie im Leben. Die Antarktis führte dem Menschen vor Augen, wie buchstäblich winzig er war. Dass er nicht einmal ein Sandkorn, sondern lediglich ein Stäubchen auf dieser Welt war…
    Stopp!
    Es reichte. Er war kein wehleidiger Typ, nie gewesen. Und er hatte nicht vor, hier und jetzt damit anzufangen. Thomas war tot. Basta. Jefferson lebte – irgendwie. Und jetzt musste er zusehen, dass er noch ein bisschen länger lebte, möglichst sogar überlebte!
    Die Hitze des brennenden Fliegers war inzwischen so enorm, dass sie Eiskristalle in Regen verwandelte. Das Kerosin brachte selbst Metall zum Brennen, und inzwischen hatten die Flammen auf das ganze Wrack übergegriffen. Lediglich die abgerissene rechte Tragfläche blieb davon verschont. Die Hoffnung, dass das Funkgerät die Flammenhölle überstand, konnte er gleich mit Huxley zusammen begraben.
    Seine einzige Chance war, dass Byrd ein Suchkommando losschickte, um nach dem Verbleib des verschollenen Flugbootes zu forschen. Aber Parker machte sich keine Illusionen: Der Admiral, der schon zwei andere Antarktisexpeditionen geleitet hatte, war ein harter Hund. Er würde nach der Maschine suchen lassen – aber nicht um jeden Preis, nicht endlos, und erst recht nicht, solange dieser vermaledeite Sturm tobte.
    Noch näher wagte sich Parker an den Brandherd heran. Insgeheim hoffte er sogar, dass das Wrack explodieren und ihn dorthin schmettern würde, wohin ihm Huxley vorausgeeilt war. Dann hätte er es überstanden.
    Er war sich nicht sicher, wie stark er tatsächlich noch an seinem Leben hing. Aber die Hitze des Feuers war nur ein vergänglicher und trügerischer Trost inmitten der Eisöde, die ihn umgab.
    Parker hatte keinen blassen Schimmer, wo genau er gelandet war. Der Sturm hatte sie vom Kurs abgebracht. Aber er glaubte nicht, dass die Küste des Rossmeers, wo der Verband manövrierte, sehr nah war. Sein Auftrag war es gewesen, ostwärts zu kundschaften, immer in Sichtweite
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher