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228 - Crows Schatten

228 - Crows Schatten

Titel: 228 - Crows Schatten
Autoren: Jo Zybell
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stapfte durch Rauch und Flammen. Oben hörte er die Männer husten und schreien. Der überlebende Schweinebär drückte sich an die Erdwand und brüllte bedrohlich. Er saß in der Falle, das spürte er, und irgendwie tat er Takeo leid.
    Das Tier wähnte sich in Todesgefahr und konnte nicht anders, es musste angreifen. Also sprang es Takeo an. Der packte blitzschnell zu, griff nach seinen Hauern, sprang zur Seite und nutzte die Bewegungsenergie des tierischen Gegners, um dessen Sprung zu verlängern, ihn einmal herumzuwirbeln und ihn dann nach oben und über den Grubenrand zu schleudern.
    Miki Takeo hörte die wilden Jäger aufschreien. Ihr Geschrei und ihre Schritte entfernten sich rasch.
    Der Android ging in die Knie und sprang ab. Als er oben im Gras aufsetzte, sah er die letzten Jäger zwischen Büschen und Bäumen verschwinden. Einen hatte der Schweinebär gerissen. Das Tier schleifte den Bedauernswerten ins Unterholz.
    Miki Takeo aber wandte sich wieder nach Osten und lief weiter. Er lief mit immer gleich bleibender Geschwindigkeit. Mindestens sieben Tage noch trennten ihn noch von seinem Ziel. Wen oder was würde er dort antreffen?
    ***
    Appalachen, Anfang September 2524
    Die Schottflügel schoben sich auseinander, ein hoch gewachsener, kahlköpfiger Mann mit kantigen Gesichtszügen trat in den zentralen Funkraum. »Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, Gentlemen!« Er klatschte in die Hände und rieb dann die Handflächen gegeneinander wie einer, der im Begriff war, einen hundert Mal durchdachten Schachzug nun unwiderruflich auszuführen. Und so dem Gegner Schach zu bieten. »Sind Sie bereit?« Der Mann ließ sich in einen freien Sessel vor einer langen Schaltkonsole und unter einem großen Bildschirm fallen.
    »Yessir!«, krähte Laurenzo mit seinem südländischen Akzent. Der Leibarzt Arthur Crows und der Botschafter seiner Exilregierung hatte lange geübt, um auf derartige Fragen in der Landessprache derartige Antworten geben zu können.
    »Jawoll, Herr General!« Hagenaus Gestalt im Sessel zur Linken Crows straffte sich. Der Doyzländer hatte entzündete Augen und war reichlich blass. Seitdem der weltumspannende EMP (Elektromagnetischer Impuls, bis MX 199 vom Wandler ausgestrahlt) unvermittelt geendet hatte und die Anlage wieder lief – seit etwas mehr als einem Jahr also – hatte Crows Adjutant praktisch nichts anderes getan, als Datenbanken zu sichten und Betriebsanleitungen für tausend Geräte zu studieren.
    »Kann es also losgehen!« Crow schlug dem Mann, der im Sessel rechts neben ihm saß, auf die Schulter. Horstie von Kotter nickte nur. So gebeugt, wie er an diesem Morgen in seinem Sessel hing, konnte man sich gut vorstellen, dass er die letzten sieben Jahre, bevor er zu Crows Exilregierung stieß, tatsächlich so verbracht hatte, wie er sie nun einmal verbracht hatte: angekettet auf der Ruderbank im Unterdeck eines Piratenschiffs. Die Verantwortung drückte ihn nieder und die Spannung zerrte an seinen Nerven.
    Crows Stellvertreter von Kotter stammte wie Hagenau aus Doyzland. Von allen drei Kabinettsmitgliedern war der von Crow zum Oberst ernannte Mann am längsten auf der EUSEBIA gefangen gewesen. Crow hatte schnell herausbekommen, dass von Kotter von Bunkerleuten einer Ruinenstadt namens Ambuur erzogen und ausgebildet worden war. Er war ein As in Physik, konnte die Wurzel sechsstelliger Zahlen bis aufs Komma genau im Kopf ausrechnen und kannte sich sogar mit Chemie und Quantencomputern aus.
    Crow hatte keine Ahnung, wo Ambuur lag – er wusste ja nicht einmal genau, wo Doyzland lag – doch er hatte schnell begriffen, dass ein Mann wie von Kotter von unschätzbarem Wert für ihn war. Ohne ihn hätte Crow das »neue System« niemals entwickeln können.
    Ohne Hagenau, der sich durch den Datenwust gewühlt hatte, natürlich auch nicht, und erst recht nicht ohne seinen Leibarzt. Crow war schwer krank gewesen, bevor er im Jahr zuvor die große Reise nach Westen angetreten hatte. Der alte Laurenzo hatte ihn wieder auf die Beine gebracht. Und was das Beste war: Seit seiner Heilung war Arthur Crow nicht mehr auf das Immunserum angewiesen. Er war nicht mehr auf das Serum angewiesen!
    Sein Immunsystem war von selbst wieder angesprungen. Crow konnte es noch immer kaum glauben, und manchmal griff er sich unwillkürlich dorthin, wo früher der Serumsbeutel unter seiner Wäsche an seiner Brust gehangen hatte, um zu prüfen, wie viel Serum er noch enthielt. Hin und wieder kam es sogar vor, dass er erschrak,
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