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2277 - Die Macht der Sekte

Titel: 2277 - Die Macht der Sekte
Autoren: Unbekannt
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zeigte, wie sie gewesen war, als sie den Ehevertrag eingingen. Einen Meter siebzig groß, brünett, schlank, langes Haar, grüne Augen ... „Wie das Meer bei Sonne an der Küste", hatte er immer geflüstert, wenn er über den seidigen Glanz strich.
    Das war 1319 gewesen, und zwei Jahre später wurde Sarah geboren.
    Datone kniff die Lippen zusammen. Seine Miene verhärtete sich. Nichts und niemand hatte ihn darauf vorbereitet, dass sein Glück ein derart schreckliches Ende nehmen könnte. Aber seine Verstrickungen in das Milieu hatten ihn schließlich zu Fall gebracht.
    Nicht, dass es unbeglichene Rechnungen gegeben hätte. Er war ein zu kleiner Fisch, als dass sich jemand lange mit ihm aufgehalten hätte. Eigentlich war es eher Zufall gewesen, dass es ihn traf. Es hätte auch jeder andere sein können.
    Wie typisch das für sein Leben war. Nicht einmal sein Unglück war selbst verschuldet.
    Er fragte sich, wie vielen in dieser Stadt es genauso ging. Überall gab es Menschen wie ihn, Leute, die mit ihrer Vergangenheit nicht zurechtkamen. Vielleicht, so hatte er ein ums andere Mal überlegt, war das sogar in gewisser Weise typisch für die Menschen. Selbstzweifel, Krisen, Flucht vor der Vergangenheit ... Aber durfte das wirklich wundern? Bei den unzähligen Katastrophen, die diese Welt in letzter Zeit heimgesucht hatten, war eigentlich niemand verschont geblieben, hatte jede Biografie Schrammen, Scharten oder schwärende Wunden davongetragen. Hier in Neapel gab es erstaunlich viele Simusense-Opfer und deren Nachkommen sowie ehemalige Imprint-Süchtige.
    Viele von der Politik als überwunden klassifizierte Umbrüche hatten sich in den letzten zwei-, dreihundert Jahren auf und um Terra zugetragen. Anzunehmen, dies bliebe für die Psyche der Menschen ohne Folgen, bewies nur, wie wenig manche Entscheidungsträger von den Problemen des kleinen Mannes verstanden. Viele waren ihrer Vergangenheit beraubt worden, und auf der Suche nach einem Ersatz, einem Halt, Stabilität und Glück war Terra-Nostalgie die Antwort gewesen.
    Auch in anderen Metropolen der Welt wie Paris, Berlin, London, Tokio und Kalkutta war die Sehnsucht, seine Identität in der Vergangenheit Terras zu finden, stark gewesen. Mancherorts trieb sie merkwürdige Blüten, wie er sehr genau wusste: Hier in Neapel war es zur „Renaissance-Bewegung" gekommen.
    Renaissance!
    Die Neapolitaner wussten, was es damit auf sich hatte, und während sogar in anderen Städten Südeuropas der „Verein zur Förderung der Renaissance" Ansehen genoss und ihm immer wieder private wie staatliche Fördergelder zuflössen, war es ein offenes Geheimnis, was dahinter steckte: „Renaissance" war die „Wiedergeburt", doch während der Begriff in der Geschichte eine Epoche bezeichnete, in der spätmittelalterliches Leben und neu entdecktes antikes Wissens zum Beginn der Moderne führten, erwachte in Neapel etwas ganz anderes zu neuem Leben.
    Die Camorra!
    Nahezu unbehelligt hatte die alte Mafia-Organisation neue Wurzeln geschlagen. Man besann sich auf die alten Qualitäten der Camorra und betrieb Informations- und Drogenhandel neben beliebten Simuplex-Spielen und kulturellen Veranstaltungen.
    Mit dem Honig der Wohltaten sickerte auch das Gift des Bösen in Neapel ein und breitete sich aus, sodass die Camorra binnen weniger Jahre mit den Menschen der Stadt verschmolzen war.
    Barto war, wie die meisten, eher zufällig in den Dunstkreis des Don geraten, wie sich das Oberhaupt der Camorra nannte. Don Carreras war die Spinne im Netz gewesen, in das Datone geraten war. Carreras' Familie schien, wenn man von seinem Äußeren ausging, weit herumgekommen zu sein: Allein sein Kopf wies Einschläge aller möglichen Erblinien auf - rotes Haar, mandelförmige schwarze Augen, blasser Teint und wulstige Lippen. Er bezeichnete sich selbst als echten Sohn Neapels, leitete in dieser Stadt die Geschäfte der Renaissance-Bewegung und war der ungekrönte Herrscher Neapels und des gesamten Umlandes, nur von wenigen angefeindet, die meistens nicht lange lebten. Wie die meisten Bewohner der Stadt trug auch er einen „traditionellen" Namen, obwohl kaum zwanzig Prozent der Leute von Geburt an italienisch klingende Namen hatten. Datone war einer dieses Fünftels, und darauf war er stolz, wenn auch auf sonst wenig in seinem Leben.
    Getrieben von der Lust am Abenteuer, hatte Datone sich ihm angedient und wurde für die Camorra als Botenjunge tätig, der Informationen und Anweisungen übermittelte, die nicht den
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