Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

2274 - Motoklon Hundertneun

Titel: 2274 - Motoklon Hundertneun
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
war eigentlich der gegnerische Befehlshaber?
    Lyressea musterte einmal mehr das kleine Grüppchen Wesen unweit der Motoklone. Handelte es sich dabei um dieses klumpige, körperlich völlig deformierte und humpelnde Wesen, dessen Volkszugehörigkeit sie einfach nicht einschätzen konnte?
    Zwei greise Kybb-Rodish, mehrere Kybb-Giraxx und Kybb-Traken befanden sich in seiner unmittelbaren Nähe. Auch sie waren Dunkle Polizisten, die grau bis schwarz abgetönte Uniformen am Leib trugen. Solange sie hier blieben, konnte Lyressea darauf hoffen, dass der Motoschock nicht ausgelöst wurde. Hundertneun war gegen die Wirkung der psionischen Schockwelle ohnehin nicht anfällig. Also würden die mehrere Dutzend Motoklone unter bloßem Einsatz ihrer Physis angreifen. Wenn der Schutzschirm fiel - und das konnte jeden Moment der Fall sein, sobald Tagg Kharzani als oberste Instanz die Überrangkodes freigab -, würden sie ins Gebäude stürmen und klar Schiff machen.
    Warum waren die anderen Wesen überhaupt hier? Sie riskierten, bei einem Angriff der Motoklone ebenfalls ums Leben zu kommen. Die wollen mich, dachte Lyressea, und sie wollen mich gleich verhören. „Es wird Zeit", sagte Hundertneun. „Ich habe alles vorbereitet."
    Lyressea dachte nach. Und sagte dann: „Es muss nicht sein ..."
    „Doch", unterbrach sie der Motoklon. „Ich weiß es, und du weißt es. Für mich ist es hier zu Ende."
    „Es gibt immer einen Ausweg!", beharrte sie. „Du könntest mit mir kommen und ..."
    „Ich habe einen Auftrag übernommen. Diesen werde ich erfüllen." Hundertneun machte eine kurze Pause. Es schien ihr fast, als müsse er überlegen, über seine Worte nachdenken. „Als wir hier landeten, habe ich dir gesagt, dass der Moment kommen wird, an dem ich mich entscheiden muss. Du erinnerst dich?"
    Automatisch nickte sie. „Ich habe diese Entscheidung getroffen. Es war eine Abwägung vieler Faktoren. Meine fortschreitende innere Zerstörung hat mir interessanterweise geholfen." Er verzog seine echsenähnlich ausgebildete Schnauze zu dem, was der Versuch eines Lächelns sein konnte. „Durch das Absterben meiner Redundanz-Systeme neige ich zu einer immer diffuseren Sicht der Dinge. Dort, wo ich bislang Fakten abwägen, endlos oft miteinander vergleichen und mit quer vermittelten Daten unterfüttern konnte, bin ich nun gezwungen, Vermutungen anzustellen. In gewissem Sinne habe ich mich also einer organischen Meinungsfindung angenähert."
    „Willst du sagen, dass du durch einen Vorgang der Verblödung zum denkenden Wesen wirst?", versuchte sie einen Scherz, während sie mit einem Auge nach wie vor die Bildschirme unter Kontrolle behielt. „Ja", antwortete der Motoklon.
    Seine Humorlosigkeit war ihm also geblieben. „Ich hätte es in diesem Moment", fuhr Hundertneun fort, „in der Hand, alle Entscheidungen, die ich getroffen habe, rückgängig zu machen. Ein Handgriff von mir, und der Kher-Diamant wird wieder zum uneinnehmbaren Bollwerk, und die Truppen der Allianz der Moral verschwinden im Nichts, zerquetscht und pulverisiert."
    Es juckte Lyressea zwischen den Schulterblättern. Nervös kratzte sie sich. Worauf wollte der Motoklon hinaus? „Du hast dich also für ... unsere Seite entschieden?"
    „Nein."
    Sie merkte, dass sie blass wurde. Instinktiv suchte sie Halt, umklammerte die Kühle eines matt polierten Metallträgers.
    War es das? Das Ende eines langen Weges? War alles umsonst gewesen? Was konnte sie ausrichten, gegen dieses ... Ding? „Ich habe mich für deine Seite entschieden", fuhr Hundertneun fort. „Ich verstehe nicht..."
    „Ich habe lange „darüber ... nachgedacht, was ich in deinen Augen darstelle. Für was ich stehe, worauf sich dein Abscheu begründet. Positive wie negative Gefühle sind für mich präzis dokumentierte Informationsblöcke, deren Hintergründe sich mir nie erschlossen haben - und nie zu hinterfragen waren. Doch mit meinem fortschreitenden Tod wuchs das Bedürfnis in mir, Emotionen zu analysieren."
    Wieder entstand eine ungewohnte Pause. Als ob es der Motoklon spannend machen wollte, als ob er alles, was um sie herum passierte, ausgeklammert hätte. „Ich formulierte mein Ziel folgendermaßen: Kann ich dich dazu bewegen, die Ressentiments mir gegenüber abzulegen?", fuhr er schließlich fort. „Und vor allem wie?"
    „Es ... es war der Tanz", flüsterte Lyressea. „Ja. Der Flagore. Die wenigen Minuten, in denen meine Sinnesrezeptoren spürten, wie deine Anspannung nachließ und du vergaßest, wer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher