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224 - Im Turm des Warlords

224 - Im Turm des Warlords

Titel: 224 - Im Turm des Warlords
Autoren: Ronald M. Hahn
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zu bluten.
    »Wir haben es versucht«, erwiderte Yann/Gilam’esh/Nefertari, »aber leider waren seine Erinnerungen an diesen Ort geprägt von… widerwärtigen Dingen.«
    »Welche Dinge!«, fragte ich und war mir nicht sicher, ob ich die Antwort hören wollte.
    »Foltergeräte«, kam gleich darauf die Antwort aus seinem Mund. »In einem Keller.«
    »Ein Keller?«, echote ich. »Nicht gerade etwas, das auf dieser Welt selten vorkommt.«
    »Das war alles, was er mit diesem Ort verband«, erwiderte Yann. »Folter, Schmerzen, Opfer, Tod. Dort, fernab des Turmes, lebte er seine geheimen Leidenschaften aus. Der Weg war nebensächlich. Vielleicht reiste er ja in einer Kutsche, auf deren Bock Lulungu saß.«
    Ich nickte. »Gut.« Die Festplatte in meinem Kopf rotierte. Ich rief mir ins Gedächtnis zurück, wo wir Lulungu und seine Getreuen getroffen hatten. Das kaputte Fuhrwerk hatten wir zurückgelassen. Es zu finden war kein Problem – falls nicht heute Nacht jemand mit einer heilen Achse vorbeigekommen war und es gestohlen hatte. Aber das war wohl unwahrscheinlich.
    Ich erzählte den anderen davon und schloss: »Vielleicht können wir die Radspuren zurückverfolgen. Sie müssten zu einem Gebäude mit einem Keller führen.«
    »Es muss ein uraltes Haus sein, eins aus der alten Zeit«, sagte Yann.
    »Ja.« Ich nickte. »Als Architekten noch Häuser entworfen und Fachleute sie gebaut haben. Heute baut man keine Keller mehr. Heute baut man nicht mal mehr richtige Häuser.«
    »Es sprach der Mann aus der Vergangenheit, wo einfach alles besser war.« Yann grinste, jetzt wieder er selbst. »Das erinnert mich an meinen Vater.«
    Ich errötete. Auch ich fühlte mich plötzlich an meinen Vater erinnert. Er war in Woodstock dabei gewesen und hatte alle Helden des 20. Jahrhunderts persönlich gesehen. Glückliche Zeiten, damals…
    »Zwischen dem Fischerdorf, vor dem die Quakadu havariert ist, und Wyludas Turm gibt es keine Ortschaft, wie wir gesehen haben.« Ich schaute auf. »Was sagt uns das?«
    »Dass wir nach einem allein stehenden Haus suchen«, sagte Aruula.
    »Das uralt ist und einen Keller hat.« Yann nickte. »Wenn es dieses Gebäude gibt… bedeutet es auch, dass Keetje noch lebt?«
    »Warum nicht?«, gab ich mich optimistischer, als ich eigentlich empfand. »Wir wissen, dass sie in Lulungus Gewalt war und er ursprünglich mit ihr zu Wyludas Turm wollte. Als er jedoch sah, dass sein Warlord belagert wurde, brachte er sie in den Kerkerkeller.«
    Aruula schaute mich an. »Sie waren also nahe genug an dem Turm dran, um zu erkennen, dass er belagert wurde. Was bedeutet, dass sie nicht mehrere Tage unterwegs gewesen sein können, um Keetje unterzubringen, sondern bestenfalls einige Stunden.«
    »Yeah!« Ich nickte erfreut. »Das sind doch Erkenntnisse, mit denen man arbeiten kann! Wir fahren dorthin, wo wir Lulungu getroffen haben.« Ich änderte den Kurs. In meinem Kopf kreisten viele Gedanken.
    Aruula wandte sich an Yann. »Warum habt ihr den Warlord eigentlich so früh aus der Gondel geworfen?«, wollte sie von Gilam’esh und Nefertari wissen. »Ein paar Meter weiter, über die Zinnen hinweg, und er hätte den Sturz nicht überlebt.«
    »Hydriten töten nicht. Und Quan’rill (Geistwanderer) schon gar nicht.«
    Eins wusste ich: Die Antwort war von Gilam’esh gekommen. Nefertari war nämlich weniger zimperlich.
    ***
    Wir fuhren unter einem wolkenlosen Himmel dahin.
    So eigenartig es auch klingt: Ich bedauerte Lulungus unerwartetes Ableben. Dass er sich für einen machthungrigen Despoten wie seinen Herrn geopfert hatte – die Sache mit Wyludas älteren Bruder Kwala wollte mir nicht aus dem Kopf –, war eine Nibelungentreue, die ich seit dem letzten Kamikaze-Flieger für ausgestorben hielt.
    Laut Aruula war der Hetman während der Suche nach Keetje mit mehr als zwei Mann unterwegs gewesen. Falls wir den Keller fanden, in dem man sie festhielt, wäre uns eine von den Hydriten gesteuerte Marionette mit Lulungus Aussehen sicher nützlich gewesen.
    Schließlich erreichten wir das verlassene Fuhrwerk. Ich ging bis auf einen Meter herunter und übergab das Ruder an Yann, dann sprangen Aruula und ich ab, während Yann die Roziere wieder um einige Meter steigen ließ.
    Der Boden war verdammt felsig. Radspuren waren kaum zu erkennen. Nicht zu übersehen waren allerdings die Exkremente der Laufvögel, die das Fuhrwerk gezogen hatten. Da sie nicht mehr hier waren, mussten Lulungus Männer sie freigelassen oder mit zurück in ihr
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