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221 - Feindliche Übernahme

221 - Feindliche Übernahme

Titel: 221 - Feindliche Übernahme
Autoren: Christian Schwarz
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verrückt?«, gab Daa’tan entrüstet zurück. »Yao den ganzen Ruhm überlassen? Niemand anderes als ich wird die Fliegenden Städte erobern!«
    ***
    Absimbal, Anfang März 2524
    Nefertari blinzelte. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen wieder an das grelle Licht. Erst nach Minuten konnte sie sie so weit öffnen, dass sie durch die schwarzen Punkte hindurch, die vor ihren Augen flimmerten, erste Konturen wahrnehmen konnte.
    Die Königin sah sich um. Links von ihr, nicht allzu weit entfernt, floss breit und träge der Nil. Der sandige, staubige Boden reichte bis an seine Ufer, es gab kaum Vegetation.
    Rechts, ungefähr drei Speerwürfe entfernt, erhoben sich auf einem kleinen Plateau zwei mächtige Tempel, die mit gut zwanzig Meter hohen Kolossalstatuen geschmückt waren.
    Nefertari starrte die Tempel an. Sie schluckte schwer und begann plötzlich zu zittern.
    Ihr Götter, das ist nicht möglich, vernahm Aruula die aufgewühlten Gedanken der Königin. Sie spürte Erstaunen, Entsetzen und Angst gleichermaßen.
    Was immer dich bedrückt, richtete sie das Wort an Nefertari, kümmere dich später darum. Wir müssen dringend zum Wasser. Sonst sterben wir mit der Rettung vor Augen.
    Nefertari reagierte nicht darauf. Sie schien sich den Schock erst von der Seele reden zu müssen.
    In dem großen Tempel dort hat Ramses sich vor den Göttern und den Menschen verewigt, den kleinen Tempel hat er mir zum Ruhm errichten lassen. Sie sind wie einst… aber heruntergekommen und verkommen. Die Menschen treten den Ruhm Ramses’ mit Füßen! Ich werde den Leiter der Tempelwerkstätten mitsamt den Sklaven auspeitschen lassen und anschließend im Nil ertränken.
    Das ist alles? Aruula war ungeduldig; kein Wunder.
    Nein, fremde Frau. Es scheint mir unmöglich, aber die beiden Tempel sind… gewandert. Als ich sie das letzte Mal sah, erhoben sie sich viel näher am Grünen Fluss. Sie standen ungefähr da, wo wir uns jetzt befinden. Was bei Re und Osiris ist passiert?
    Aruula spürte Unbehagen. Die Worte von Sherzade der Dreiundsechzigsten fielen ihr wieder ein. Die Geschichtenerzählerin von El Assud hatte berichtet, dass Ramses’ Nachfolger Merpath die beiden Tempel in unzählige Teile zerschnitten und sie drei Speerwürfe weit ins Landesinnere versetzt hatte. Es war ein Ultimatum der Götter gewesen, weil sie sich darüber erzürnten, dass Merpath wie sein Bruder Mosa versucht hatte, das Andenken an seine Eltern Raams und Neftri zu zerstören. Die Götter hatten dem neuen Pharo deswegen eine große Flut angekündigt. Merpath könne nur dann einen Platz im Jenseits erhalten, wenn er die Tempel den alles zerstörenden Wassermassen entziehe und damit das Andenken an Raams und Neftri rette. Merpath hatte die Forderung der Götter erfüllt, die Tempel zerschnitten und versetzt.
    Bislang hatte Aruula die Geschichte Sherzades für ein Märchen gehalten. Niemand konnte derart gigantische Bauwerke einfach bewegen. Durch den Anblick der mächtigen Längs- und Querschnitte in den Mauern und Statuen war sie allerdings unsicher geworden. Und nun erzählte Nefertari, bei der es sich um Neftri handeln musste, dass die Tempel tatsächlich versetzt worden waren! Unheimlich…
    Aruula schwieg darüber. Doch selbst wenn sie ihr Wissen der Königin vermittelt hätte, die beiden Frauen hätten das Rätsel trotzdem nicht lösen können.
    (Zwischen 1964 und 1968 wurden die beiden Tempel in einer UNESCO-Rettungsaktion in 1036 Teile zerschnitten und ins Landesinnere versetzt, um sie vor den Fluten des neu angelegten Nasser-Stausees zu retten)
    Endlich begann Nefertari, den geschundenen Körper in Richtung Nil zu bewegen. Aruulas Herz raste, ihr Atem ging hechelnd, während der Schweißfluss längst versiegt war. Mit letzter Kraft taumelte sie durch die Dünen zum Nil. Am Ufer ließ sie sich niederfallen. Auf dem Bauch liegend tauchte sie ihr Gesicht in das köstliche, kühle Nass.
    Du darfst nicht zu viel auf einmal trinken, beschwor Aruula sie. Das würde uns umbringen.
    Hältst du mich für dumm?, herrschte die Königin sie an.
    Glaubst du, dass ich saufe wie ein Kamel? Ich weiß zehntausend Mal besser als du, wie man in der Wüste überlebt.
    Die ersten Schlucke füllten den Mund. Nefertari hustete sie wieder aus. Erst nachdem sie ihre Mundhöhle ein paar Mal befeuchtet hatte, konnte sie das Wasser schlucken. Eiskalt rann es durch die harte, zugeschnürte Kehle. Sie empfand es, als würde ein dicker harter Pfahl in ihre Eingeweide gestoßen, und behielt
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