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215 - Die Macht des Sehers

215 - Die Macht des Sehers

Titel: 215 - Die Macht des Sehers
Autoren: Jo Zybell
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zu ihrem Leibarzt zu ernennen. Sobald du deine Sachen gepackt hast, könnten wir…«
    »Verschwindet!« Yann nahm alle Kraft zusammen.
    »Verlasst mein Hausboot! Ich kann niemandes Leibarzt sein, ich bin todkrank…! Raus hier, raus…«
    Die beiden Frauen machten verdutzte Gesichter. Keetje bedeutete ihnen die Kajüte zu verlassen. Die Frauen waren so geschockt vom erbarmungswürdigen Anblick des Sehers, dass sie sich tatsächlich zurückzogen.
    Keetje trat nach ihnen auf den Gang hinaus und schloss die Tür hinter sich. »Was will eure Kriegskönigin ihrem Leibarzt denn bezahlen?«
    »Zwei Goldstücke die Woche, ein Haus, ein Schiff und eine Herde Efrantenvögel.«
    »Das nenne ich einen fairen Preis, alle Achtung.« Keetje nickte anerkennend. »Doch wie ihr selbst gesehen habt, ist der Meister im Moment… nun ja, nicht ganz fit. Hätte er keine Schmerzen, würde er manches ganz anders sehen, da bin ich absolut sicher. Beschafft also ein wirksames Schmerzmittel, dann wird er es sich noch einmal überlegen.«
    »Sicher?«, fragten die schwarzen Kriegerinnen wie aus einem Munde.
    »Ganz sicher.«
    Die Amazonen stiegen zum Außendeck hinauf, und Keetje ging zurück in Yanns Kajüte.
    »Ich kann nicht mehr arbeiten«, jammerte der Meister ihr entgegen. »Es zersprengt mir schier den Kopf, wenn ich mich auf den Energiefluss im Körper eines Patienten konzentriere. Ich kann wirklich nicht mehr…«
    »Arbeit ist das Einzige, was dir jetzt noch hilft.« Keetje kniete neben ihm nieder und legte den Arm um ihn. »Ruhe dich ein wenig aus, dann hole ich den nächsten.«
    »Ich will sterben, du musst mir helfen.« Flehend sah er sie an.
    »Nur ein Hohlkopf wirft sein Leben weg, solange noch ein Funken Hoffnung besteht!«, fuhr sie ihn an.
    »Nicht so laut…« Er zuckte zusammen und presste die Handballen gegen die Schläfen. »Hilf mir bitte, meinem Leben ein Ende zu machen, Keetje…«
    »Ich wäre schön blöd«, sagte das Mädchen. »Dann wäre ich ja ganz allein.«
    ***
    Am 12. März 2524 landete die kaiserliche Roziere auf Wimereux-à-l’Hauteur. Wieder war eine Empfangsdelegation zusammengeströmt, wieder spielte eine Kapelle. Es wurde getanzt und gesungen und geklatscht. Gleich dreizehn schwarze Grazien fielen de Rozier um den Hals und flüsterten ihm allerhand ins Ohr. Offenbar handelte es sich um die momentanen Ehefrauen des Kaisers. Sie schienen die besten Freundinnen zu sein, denn sie schnatterten und lachten laut durcheinander.
    Matts Eindruck, den er nach de Roziers ausgedehnter Erzählung gewonnen hatte, verdichtete sich: Die barocken Sitten des absolutistischen Frankreichs, die Pilatre de Rozier mit in die Zukunft gebracht hatte, waren zwar nicht ganz spurlos an seinen Untertanen vorüber gegangen, doch im Großen und Ganzen konnten diese Leute ihre afrikanische Mentalität nicht verleugnen; und ihr afrikanisches Temperament gleich gar nicht. Manchmal kam es ihm sogar vor, als würden sie das ganze höfisch-kaiserliche Getue als farbenprächtigen Kostümball, ja, als aufregendes Spiel betrachten und mit großem Spaß mitspielen.
    Er selbst hielt konzentriert Ausschau. Nach Aruula. Nach Victorius. Oder Daa’tan. Weniger nach dem Daa’muren, der sie begleitet hatte – der würde sich als Mensch getarnt haben.
    Matts ganze Hoffnung hatte darin gelegen, die vier hier, in der Wolkenstadt von Victorius’ Vater, wieder zu sehen. Aber er konnte keinen von ihnen in der Menge ausmachen.
    Gegen Ende der Zeremonie, noch am Landeplatz, näherte sich ein älterer Gentleman mit gelber Perücke und grünem Frack dem Kaiser. Er machte ein paar Bücklinge und sagte in gestelzten Worten: »Ganz Wimereux-à-l’Hauteur ist überglücklich, seinen Kaiser wieder in der Stadt zu wissen. Ich vermelde, dass mit Stadt und Volk alles zum Besten steht, und heiße euch im Namen aller Einwohner herzlich willkommen, Excellenz!«
    Wieder erhoben sich Applaus und Hochrufe, und die Fanfaren bliesen einen Tusch. De Rozier bedankte sich wortreich, danach verließ die ganze Gesellschaft den Landeplatz, um sich zum Essen in den kaiserlichen Palast zu begeben. Die dreizehn schwarzen Grazien umschwärmten den Kaiser; mal hielt er die eine, mal zwei andere im Arm.
    Aus den Plaudereien auf dem Weg zum Palast erfuhr Matt, dass der ältere Gentleman im grünen Frack ein hochrangiger Berater des Kaisers war, ein gewisser Ord Bunaaga. Die kaiserliche Leibgardistin, die schöne Tala, stellte sich als seine Nichte heraus. Der betagte Hofbeamte hatte
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