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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit
Autoren: Michael M. Thurner
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spreche.«
    Niemand sagte ein Wort. Sprachlosigkeit erfasste die Menge –– die in einem einzigen Schrei, einem gewaltigen Aufbrüllen der Begeisterung mündete.
    Es meldeten sich weit mehr als fünfzig Freiwillige, die in diesem ersten Teil der Wolkenstadt hochsteigen wollten.
    ***
    Paris-à-l’Hauteur wuchs und wuchs. Kleinere Ballons wurden durch größere ersetzt, das Provisorium der Bastschüssel durch eine Konstruktion aus Leichtholz.
    Pilâtre de Rozier ließ die Luftstadt ins Land der Vulkane versetzen. Erste Dampfmaschinen wurden nach oben verbracht, Stützstreben miteinander verbunden. Das Wissen Benjamin Franklins floss in Schutzmaßnahmen gegen Stürme und Blitze ein. Köhlerhütten entstanden in den riesigen Wäldern südlich des Victoriasees. Die Landwirtschaft, nach dem Prinzip der hier bislang unbekannten Dreifelderwirtschaft weiterentwickelt, blühte und gedieh unter dem Schutz nunmehr ständig patrouillierender Luftschiffe.
    De Rozier ließ Paris-à-l’Hauteur über einem Feld aus warmen Quellen stabilisieren. Hier gab es unbegrenzten Nachschub an Energien, die leicht zu nutzen waren.
    Die Stammeshäuptlinge hatten der Ruhelosigkeit und der Wucht, mit der Pilâtre de Rozier seine Ziele verfolgte, nichts entgegen zu setzen. Mehrere gescheiterte Attentate auf den Franzosen, vom stets aufmerksamen Wabo abgefangen, zementierten seinen Status der Unangreifbarkeit immer mehr ein. Je wütender und wilder die Attacken sich um Pfründe und Einfluss betrogen fühlender Häuptlinge wurden, desto rascher wuchs der Zuspruch für de Rozier…
    »Lass es gut sein«, sagte Nikombe eines Tages.
    »Wie bitte?« Jean-François betrachtete die neu angefertigten Linsen, die ihm der erste Optik-Manufakteur des Landes vorbeigebracht hatte.
    »Du solltest ein wenig zurückschalten. Wenn nicht um deiner, dann zumindest um unser Willen.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst.« De Rozier blickte hoch. Zerstreut griff er nach einem Happen gerösteten Tsebra-Fleisches. Das Mittagsmahl stand bereits seit gut und gern zwei Stunden auf seinem Tisch.
    »Das Tempo, das du anschlägst, wird einfach zu hoch. Tag und Nacht sollen wir bereit stehen, deinen Wünschen entsprechen, deinen Anordnungen folgen. Du kennst keine Pause, keinen Ruhetag, keinen Frieden. Ich verstehe nicht, was dich antreibt.«
    »Zu wenig Zeit. Ich habe zu wenig Zeit.« De Rozier seufzte. »Sie zerrinnt mir zwischen den Fingern, sie hetzt mich durchs Leben. Es gibt noch so viel zu tun, so viel zu erforschen…«
    »Sieh dich um, was du alles geleistet und erreicht hast. Längst genießt du einen gottähnlichen Status. Viele Ashtis und Ambassai würden dich gerne auf dem Thron der Götter neben Ngaai sitzen sehen. Man begegnet dir mit Ehrfurcht, manchmal auch mit Angst. Aber du entfremdest dich den Menschen hier. Du baust dir selbst ein Podest, das viel zu hoch geraten ist.«
    »Nonsens!« Ärgerlich fegte Pilâtre de Rozier Zeichnungen und Skizzen von seinem Arbeitstisch.
    »Siehst du denn nicht, was alles noch notwendig ist? Wollten wir denn nicht einen Traum erfüllen, etwas vollkommen Neues aufbauen, in dem kein Platz mehr ist für Ängste und Nöte? Wollten wir nicht Visionen lebendig machen?«
    Lazefa trat zu ihm. Sie schmiegte sich an seine Seite.
    Die junge Frau, die sein Blut in Wallung brachte und es schaffte, zumindest für Stunden die Dämonen zu bändigen, die durch seinen Körper tobten.
    »Es sind deine Träume und deine Visionen, Freund!«, entgegnete Nikombe. »Du machst den Fehler, immer weiter zu suchen und zu forschen, statt einmal durchzuatmen und zu betrachten, was du schon alles erreicht hast. Nimm dir doch die Zeit dafür! Setz dich hin und genieße.«
    »Er hat Recht«, sagte Lazefa sanft. Sie streichelte ihm beruhigend über die Seite, schenkte ihm Wärme und Zuneigung.
    Diesmal nicht! Diesmal würde sie ihn nicht besänftigen und einschläfern! Sie wollte, dass er im Jetzt verharrte, statt in die Zukunft zu blicken! Sie wollte, dass er in den Spiegel blickte und erkannte, wie wenig Zeit ihm noch blieb…
    »Also verbündet ihr euch gegen mich?«, fragte er schroff. »Wollt ihr mich bändigen und einfangen, mir die Klauen stutzen?« Er blickte Nikombe wütend an. »Nagt die Gier an dir? Möchtest du mich ersetzen? In jeder Beziehung ersetzen?« Er löste Lazefas Hand von seiner Hüfte und drückte die junge Frau in die Richtung seines Freundes.
    »Du bist… du bist…«
    »Verrückt?«, ergänzte de Rozier. »Ist es das, was du sagen
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