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210 - Unter dem Vulkan

210 - Unter dem Vulkan

Titel: 210 - Unter dem Vulkan
Autoren: Ronald M. Hahn
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Geräusche: Grunzen. Schmatzen. Leises Lachen. Die Stimmen von Menschen? Dann beugte sich jemand über ihn.
    »Bist du’s, Rulfan?«
    »Nein«, erwiderte der Schatten. »Ich bin Doctorus Noah. Bleib liegen. Lass mich dein Auge salben.« Finger betasteten Matts geschwollenes Auge.
    »Autsch!«
    »Das wird ein schönes Veilchen geben.« Der Mann, der sich Doctorus Noah nannte, lachte leise. Er hatte sanfte Hände, fast wie eine Krankenschwester. Seine Stimme klang sympathisch.
    Dass er Englisch sprach, verwunderte Matt kaum. Im ehemaligen Tansania hatte man sich früher in hundertsiebenundzwanzig Sprachen verständigt. Wer überregional etwas sagen wollte, hatte schon damals auf die Sprache der Kolonialmacht zurückgreifen müssen. Wenigstens in dieser Hinsicht hatten die Europäer den Afrikanern etwas gebracht.
    »Wer bist du?«, fragte Matt.
    »Hab ich doch gesagt«, kam die Antwort. »Jetzt bist du an der Reihe.«
    »Man nennt mich Maddrax… aua!« Matt hatte versucht, sich von dem Strohsack aufzurichten, doch ein Stich zuckte durch sein Hirn. Er ließ sich wieder fallen.
    »Mad Rex? Komischer Name.« Noah klang amüsiert. »Ich hoffe, er sagt nichts über dein Programm aus.«
    »Nein…« Matt schnappte nach Luft und wiederholte den Namen, den Aruula ihm einst gegeben hatte und unter dem man ihn auf dieser postapokalyptischen Erde kannte.
    Nun fiel ihm auf, dass Noahs Stimme »weiß« war. Er schien Anfang dreißig zu sein.
    »Wo ist Rulfan? Ist er hier?« Matt tastete die Umgebung vorsichtig ab. Seine Fingerkuppen schrammten über Keramik.
    Töpfe?
    »Er ist in einem anderen Abteil.« Noah beugte sich über ihn.
    Nun sah er, dass er tatsächlich weiß war. Er wirkte arabisch, hatte aber blaue Augen. Zu seinem dunklen Gewand gehörte eine Kapuze, die er allerdings jetzt nicht trug. Sein lockiges Haar war schwarz. Er hatte gesunde Zähne und war ganz allgemein eine gepflegte Erscheinung.
    Silbernes Sternenlicht fiel durch ein Fensterchen. Der Boden bewegte sich. Es rumpelte noch immer. Abteil klang nach…
    Eisenbahn? Matt hatte eine dumpfe Erinnerung. Vor dem Einsturz der Brücke hatte er Lichter gesehen. Kein Feuer.
    Lichter.
    »Wo bin ich?« Er räusperte sich. »Wer seid ihr? Du und die anderen, meine ich.« Sind wir in Gefahr?
    »Wir sind eine… Karawane«, erwiderte Noah. »Wir sind nach Osten unterwegs. Nach Südosten, um genau zu sein.«
    O nein, dachte Matt. Nicht nach Südosten. Dann riss er sich zusammen. Wie ging noch mal diese drollige deutsche Redensart? Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
    Je eher sie aus der Umgebung der Wolkenstadt verschwanden, desto besser. Wer in der Tinte saß, konnte nicht wählerisch sein. Hatte er einen Grund, sich zu beklagen? Na, also!
    Solange sich jemand um Rulfan kümmerte, war alles im Lot. Matt fiel noch eine Weisheit ein: Besser schlecht gefahren als gut gelaufen. Und Chira? Er sorgte sich keine Sekunde um sie. Chira war ein Raubtier. Sie konnte vermutlich selbst am Südpol für sich sorgen.
    »Danke, dass ihr uns aufgelesen und mitgenommen habt«, sagte Matt. »Kann ich mich irgendwie nützlich machen?«
    »Ja, indem du schläfst, damit du schnell wieder auf den Beinen bist.« Noah deutete auf die Tür. »Ich gebiete nicht über diese Karawane. Ich begleite nur eine wichtige Persönlichkeit.«
    Er räusperte sich. »Ich weiß nicht, ob ihr dort, wo wir hingehen, willkommen seid, deswegen empfehle ich dir, so schnell wie möglich wieder auf eigenen Beinen zu stehen.«
    »Danke für den Rat.« Matt fragte sich, warum sie am Ziel der Karawane vielleicht nicht willkommen waren. Er räusperte sich. »Was ist denn das Ziel eurer Reise, wenn ich fragen darf?«
    »Der Kilmaaro«, sagte Noah.
    Das Wort erinnerte Matt an irgendetwas, aber er kam nicht drauf. Noah hatte wohl keine Lust, es ihm zu erklären.
    »Ich fühle mich wie durch eine Mangel gedreht«, sagte Matt. »Ich werde deinem Rat jetzt folgen.«
    »Gut.« Noah trat an die Tür. »Bis Morgen, Maddrax. Shalom.«
    Shalom klingt nicht übel, dachte Matt, als er allein war.
    Hoffentlich meint er es ernst.
    Er lag eine halbe Stunde auf dem Rücken, schaute an die Decke, lauschte den nächtlichen Geräuschen und trainierte sein geschwollenes Auge, bis es einen Spalt weit aufging. Dann erhob er sich, stützte sich auf den ihn umgebenden Kram, zog sich an der Wand hoch und öffnete leise das Fensterchen.
    Die Geräusche des Dschungels drangen herein: Kreischen, Knurren, Gackern, Grunzen. Windeswispern. Das
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