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210 - Unter dem Vulkan

210 - Unter dem Vulkan

Titel: 210 - Unter dem Vulkan
Autoren: Ronald M. Hahn
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Zivilisation nicht fremd war. Überhaupt schien ihm die Verdummung durch die Daa’muren auf diesem Kontinent weit weniger drastisch zu sein als in Europa oder Nordamerika. »Kommst du aus ‘nem Bunker?«
    Noah nickte. »Er wurde zerdrückt, bevor ich sechzehn war. Erdbewegungen.« Er musterte Matt interessiert. »Und du?«
    »Meeraka. Sagt dir das was?«
    Noah nickte. »Vom Hörensagen.«
    »Du bist weit von Zuhause weg«, sagte Matt.
    »Du noch weiter.«
    »Stimmt.«
    »Bist du Soldat?« Noah deutete auf Matts anachronistische Kleidung.
    »Nicht mehr.« Matt deutete auf die beiden Kutschen. »Für wen arbeitest du? Für einen Kaufmann?«
    Noah kicherte. »Eher nicht.«
    »Für einen… Wie sagt man hier? Häuptling?«
    »Sozusagen.« Noah räusperte sich.
    Sehr auskunftsfreudig schien er nicht zu sein. Vielleicht wollte er sich aber auch nur nicht unbeliebt machen. Vielleicht verstanden auch die anderen Englisch. Oder war die »wichtige Persönlichkeit« der Grund seiner Zurückhaltung? Wo hielt sie sich auf? In der anderen Kutsche? Und wieso war sie wichtig?
    Die Kutscher spannten die Spinnen ein, die Begleiter löschten das Feuer. Einer spülte die Schalen und den Topf in einer Schüssel ab und kippte das Wasser auf die Feuerstelle.
    Noah deutete mit einer Kopfbewegung an, Matt solle mit ihm kommen. Sie umrundeten die Kutschen. Am Heck des Gefährts, in dem Matt übernachtet hatte, waren vier überzählige Kamele angebunden.
    »Kannst du reiten?«
    »Kommt auf das Reittier an – beziehungsweise seinen Charakter.« Matt begutachtete die Wiederkäuer argwöhnisch.
    Sie wirken einfältig, aber er wusste, dass man, wenn man auf kollektive Dummheit setzte, schnell den Kürzeren ziehen konnte.
    »Das ist Jossele.« Noah band ein Tier los, reichte Matt die Zügel und klopfte dem Kamel aufs Knie. Es kniete sich hin.
    Matt schwang sich in den Sattel. Jossele richtete sich auf und zockelte los. Damit hatte Matt nicht gerechnet; da er noch keine Gelegenheit gehabt hatte, seine Morgentoilette in Angriff zu nehmen, war er nur von einem Testsitzen ausgegangen.
    Doch weit gefehlt. Jossele schien den Weg gut zu kennen, und Matt ließ Fünfe gerade sein. Die Kutscher und ihre Begleiter lachten. Dann setzten auch sie sich in Bewegung.
    Die Kutschen rumpelten hinter Matt her über den Pfad. Hin und wieder glaubte er an einem kleinen Fenster des hinter ihm kommenden Wagens ein Gesicht zu sehen. Irgendwann gesellte sich Noah auf einem anderen Reittier zu Matt und sie plauschten über unverfängliche Dinge. Der Passgang der Kamele machte das Reiten nicht angenehm, doch der Magen eines Piloten war anderes gewöhnt: Matt musste erst nach vier Stunden würgen – kurz bevor sie an einem Bach hielten, der ihm Gelegenheit bot, sich den Schweiß und Dreck des vergangenen Tages vom Leib zu spülen.
    Mittags gab es wieder Hafergrütze. Bald stellte Matt sich die Schlangen gebraten vor, die neben dem Pfad von den Bäumen herab baumelten. Beim Essen erfuhr er von Noah, dass die Männer, als er und Rulfan von der Brücke gefallen waren, eine
    »Töle« gesichtet hatten. Meinte er Chira? Als Noah und die anderen, vom Getöse des Steinschlags erschreckt, unter der Brücke hervorgekommen waren, war sie geflohen.
    Matt schloss nicht aus, dass Chira ihnen folgte. Sicher spürte sie, dass ihr Herr noch lebte. Er wusste jedoch nicht, warum sie nicht näher kam. Vielleicht nahm sie an, Rulfan und er seien in Gefangenschaft geraten. Natürlich wusste er, dass Tiere keine Schlüsse ziehen konnten, aber Chira war nun mal kein normales Tier.
    »Wie geht’s meinem Freund?«, fragte Matt, als sie weiter zogen. »Kann ich ihn mal sehen?«
    »Auf keinen Fall.« Noah hob abwehrend die Hände.
    »Gewöhnlichen Sterblichen ist es verboten, den Salonwagen zu betreten.«
    »Was?« Matt kniff die Augen zusammen.
    »Normalerweise dürfte nicht mal dein Gefährte dort sein.«
    Noah sah verlegen aus und zuckte die Achseln. »Doch die Dame, die wir begleiten…« Er brach ab und brummte sich etwas in den Bart.
    Die wichtige Persönlichkeit war eine Dame?
    »Sie ist wohl keine gewöhnliche Sterbliche?«, fragte Matt neugierig.
    Noah schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr.« Er schien betrübt, wie jemand, den man hereingelegt hat. »Vor zwei Tagen war sie noch eine normale junge Frau – eher noch ein Mädchen.« Er seufzte schwer. »Inzwischen weiß sie, welche Macht sie hat.« Er seufzte noch einmal. »Hätte ich doch bloß einen ordentlichen Beruf gelernt.«
    Noah
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