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203 - Die Wüstenfalle

203 - Die Wüstenfalle

Titel: 203 - Die Wüstenfalle
Autoren: Jo Zybell
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gewiss hatte er ihn aus dem Dornengestrüpp befreit und seine Wunden versorgt.
    »Bäume, ha!« Daa’tan hatte das Fenster hochgeschoben und hing mit dem Oberkörper aus der Gondel. »Ich sehe Bäume! Sogar einen See gibt es dort unten!« Mit beiden Händen hielt er das Fernrohr vor dem rechten Auge fest. »Schneller, Victor! Ich will landen! Ich muss wissen, ob ich noch Macht über Pflanzen habe!«
    »Er heißt Victorius!«, hörte Aruula den Daa’muren zischen.
    »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du ihn höflich behandeln musst! Wir brauchen ihn noch. Ohne ihn müssten wir diese Ödnis dort unten zu Fuß durchqueren.«
    Wir brauchen ihn noch…
    Aruula lauschte dem harten Klang der Echsenstimme nach.
    Möglicherweise war Grao’sil’aana nicht viel besser als Daa’tan.
    Das Luftschiff, den schwarzen Prinzen, sogar sie – alles betrachtete er unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit. Aruula mochte den Daa’muren nicht. Sie wünschte, sie müsste nicht einen so engen Raum wie eine Luftschiffgondel mit dem fremdartigen Wesen teilen.
    Aruula fragte sich, ob Grao’sil’aana sich nicht einsam fühlte, so ganz allein unter Menschen. Immerhin war er der einzige auf der Erde verbliebene Daa’mure. Alle anderen hatte der Wandler mit sich genommen, als er in den Weltraum gestartet war. [1]
    Aruula fragte sich auch, was ihn mit ihrem Sohn verbinden mochte; und welchen Einfluss er auf Daa’tan hatte. War es ein guter Einfluss? Sie wusste es nicht.
    Mit sanfter Gewalt zog der Daa’mure den Burschen aus der Fensteröffnung und nahm ihm das Fernrohr ab, um selber einen Blick hindurch zu werfen. Daa’tan ließ es grummelnd geschehen. »Sand und Hügel, so weit das Auge blickt«, schnarrte Grao’sil’aana. »Was für eine öde Landschaft!«
    »Wenn wir erst einmal unten sind, wird sie dir schon noch gefallen, Grao.« Daa’tan klatschte seinem Mentor auf den schuppigen Rücken. »Dort ist es nämlich heiß, richtig heiß, meine ich.« Grao’sil’aana antwortete nicht. Schweigend suchte er mit dem Fernrohr den Horizont ab.
    Manchmal hatte Aruula das Gefühl, dass dem letzten Daa’muren die Tragweite seines Entschlusses, auf der Erde und bei Daa’tan zu bleiben, erst nach und nach bewusst wurde. Seit sie von Ausala aufgebrochen waren, kam es nämlich immer wieder vor, dass er stumm und zusammengesunken vor der gusseisernen Tür des Brennofens hockte – sein Lieblingsplatz – und stundenlang einfach nur vor sich hin stierte.
    Manchmal stand er auch breitbeinig am Fenster und blinzelte zum Himmel hinauf. Es war, als warte er auf die Rückkehr seines Volkes. Dabei wusste er doch, dass der Wandler niemals zurückkehren würde. Und dass sämtliche Daa’muren ihre Echsenkörper verlassen hatten, wusste er auch.
    »Besuchst du mich endlich wieder einmal, Mäuschen?«
    Daa’tans Blicke folgten dem schwirrenden Flug der Zwergfledermaus. Titana flatterte um Grao’sil’aanas Schädel herum. »Komm her zu mir, Mäuschen!« Daa’tan hob den Arm und bot ihr seinen Handrücken als Landeplatz an. Die Zwergfledermaus ließ sich unter Grao’sil’aanas Achsel nieder.
    »Schade!« Der junge Bursche zog eine missmutige Miene und ließ den Arm wieder sinken. »Sie mag dich mehr als mich, Grao!«
    »Nimm es nicht persönlich«, sagte der Daa’mure. »Sie zieht meinen Körper vor, das ist alles. Und das auch nur, weil meine Körpertemperatur höher ist als deine.«
    Das mochte stimmen. Aruula beobachtete schon länger, dass die Zwergfledermaus Daa’tan und vor allem Grao’sil’aana sehr mochte. Sie war etwa so groß wie ein größer Falter und hatte braunes, samtenes Fell. Auf Aruulas halbnacktem Körper landete das Tier niemals. Häufig aber hing sie an Daa’tan oder Grao’sil’aana. Häufiger als an Victorius, was diesen verstimmte.
    »Was findest du nur an diesem Viech, dass du es auf die lange Reise von Afra nach Ausala mitgenommen hast, Victor?«, krähte Daa’tan.
    »Das ist kein Viech .« Victorius’ tiefe Stimme klang beleidigt.
    »Das ist eine sehr kluge Zwergfledermaus.« An der Schalttafel neben dem Brennofen schraubte er an seinen Kurbeln und zerrte an seinen Hebeln herum. Die Kunst, ein Luftschiff zu steuern, beherrschte Aruula noch nicht. Dennoch begriff sie, dass der schwarze Prinz gerade die Dampfmaschine drosselte und die Zufuhr heißer Luft in den Ballonkörper stoppte.
    »Das ist der ganze Grund?« Daa’tan schüttelte unwillig den Kopf. »Das glaube ich nicht! Sie hat irgendwelche besonderen
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