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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer
Autoren: Barbara Wood
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abgeleitet. Vor jedem Haus, vor jedem Ladengeschäft brannte eine Laterne, so schrieb es das Gesetz vor. Wie man gerüchteweise hörte, sollte Los Angeles bald Gasbeleuchtung bekommen. In den Saloons herrschte noch immer reger Betrieb, und die Honky-Tonk-Musik dröhnte bis ins Freie. In der Ferne knallten Revolverschüsse. Auf einem der Gehwege lieferten zwei Männer sich eine Schlägerei.
    Und sie sahen Indianer, die in den Hauseingängen schliefen oder die Straße hinuntertorkelten, betrunken vom Schnaps des weißen Mannes.
    Das Pferdegespann passierte die erste öffentliche Schule an der Ecke Spring Street. In der Temple und Main Street, wo bislang Gebäude aus Lehmziegeln standen, machten sich die Yankees breit mit ihren Häusern aus Holz und Backstein. Spanische Patios und Springbrunnen wurden durch neuartige Baustile mit so phantasievollen Namen wie Romanisch, Queen Anne, Kolonialstil verdrängt, und mit ihnen hielten Säulen, Giebel und Dachgauben Einzug. Vertraute Straßen trugen neue Namen: Die einstige
Calle Loma
hieß nun Hill Street,
Accytuna
hatte sich in Olive,
Esperanzas
in Hope und
Flores
in Flower Street verwandelt. Alles wegen der Yankees.
    Als sie die Plaza umrundeten, auf der es immer noch nach dem Stierkampf des Nachmittags roch, flüsterte Angelique Marina zu, dass hier in Kürze ein neues Hotel gebaut werden sollte, das auf jeder Etage ein Badezimmer haben würde, Gasbeleuchtung und ein französisches Restaurant. Mit seinen drei Geschossen würde es das höchste Gebäude von Los Angeles sein.
    Marina winkte ungeduldig ab. »Mutter, wo sind wir?«
    Aber auch Angela konnte es ihr nicht sagen. Nur, dass sie etwas vorantrieb.
    Sie verließen das Stadtzentrum und fuhren Richtung Nordosten, drei Frauen in einer Kutsche mit einem schweigsamen Kutscher. Sie passierten Chez Ravine, einen Canyon, wo die Stadt ihren Armenfriedhof unterhielt, bis sie schließlich die alte Mission erreichten, die mit den schmalen Fensteröffnungen zwischen den kräftigen Stützpfeilern mehr einer Festung glich als einer Kirche. Nach der Eroberung Baja Californias durch die Mexikaner hatte der neue Gouverneur die Missionen aufgelöst und das Land Freunden und Verwandten geschenkt oder verkauft. San Gabriel hatte jahrelang vor sich hin gerottet. Seine Indianer verwahrlosten, die Mauern und Dächer stürzten ein, die Weinberge verkümmerten, bis die neue amerikanische Regierung den Besitz 1859 an die Kirche zurückgab. Aber es war nicht mehr so wie früher. Schäbige Blechbaracken und Hütten umgaben die einst so schöne Kirche.
    Während sie in dumpfem Schweigen in der Kutsche saßen und der Kutscher auf Anweisungen von seiner Herrin wartete, erinnerte sich Angela vage an einen Garten, der einst hier stand, an eine Indianerin, die den Kräutergarten hegte und im Sonnenschein leise vor sich hin summte. Dann war sie von Fieber und einem schlimmen Husten gepackt worden und hatte der Einweihungszeremonie der neuen Plaza krank und schwach beigewohnt. Und danach, ein Eselritt zu den Bergen am Meer …
    Angela hielt den Atem an. Auf einmal wusste sie es. Ein Wissen, das fünfundachtzig Jahre lang tief in ihrem Herzen verschüttet lag, brach sich Bahn und schwang sich in die Lüfte wie ein Vogel.
Ich bin hier geboren. Nicht in Mexiko, wie meine Mutter mir gesagt hat. Beziehungsweise, was Luisa mir verschwiegen hat. Denn Luisa war nicht meine leibliche Mutter.
    Jetzt begriff Angela auch, warum ihre Gedanken den ganzen Tag über mit Erinnerungen an ihre Kindheit erfüllt gewesen waren.
Denn wenn wir uns dem Ende nähern, kommen wir wahrscheinlich auch wieder an den Anfang.
    Sie erkannte nun ganz deutlich, was sie den ganzen Tag lang gequält hatte – das Gefühl, dass da etwas Unerledigtes war, eine Pflicht, die sie erfüllen musste. Jetzt wusste sie, was es war und warum sie diese mitternächtliche Fahrt durch Los Angeles angetreten hatte.
    Sie war gekommen, um Lebewohl zu sagen.
     
    Als sie sich den Bergen näherten, konnten sie das Meer riechen. Sie wussten, dass sie an der Ranch San Vicente Y Santa Monica, die den Sepúlvedas gehörte, vorbeiritten. Sie konnten die Schellen der in der Nähe grasenden Schafe hören.
    Dann erreichten sie den Canyon. Angela erkannte die Felsen mit den Felsbildern, wusste aber nicht mehr, was sie bedeuten mochten. Es gab nur eine vage Erinnerung daran, wie jemand sie als Kind hierher gebracht und ihr erzählt hatte, dass sie nun Geschichten lernen würde. Aber das war dann nie geschehen. Angela
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