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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3
Autoren: Haruki Murakami
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man sich also um den Zustand seiner Gesundheit in fünfzehn Jahren sorgen?
    Als er die dritte Seven Stars rauchte, hatte Ushikawa eine Idee.
    Ja, dachte er, so könnte es gehen.

Kapitel 2
    Aomame
    Allein, aber nicht einsam
    Sobald es dunkel wurde, setzte Aomame sich auf den Balkon und sah hinüber zu dem kleinen Spielplatz jenseits der Straße. Diese tägliche Übung war von großer Bedeutung für sie, ja, sie war zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden. Sie saß auf ihrem Posten, ganz gleich, ob die Sonne schien, ob es bewölkt war oder ob es regnete. Es war inzwischen Oktober und schon recht kühl. An besonders kalten Abenden trug sie mehrere Schichten Kleidung übereinander, legte sich eine Decke über die Knie und trank heißen Kakao. Bis halb elf beobachtete sie die Rutschbahn, anschließend nahm sie genüsslich ein Bad und legte sich dann ins Bett.
    Natürlich war es nicht ausgeschlossen, dass Tengo bei schönem Wetter einmal tagsüber auftauchte. Aber sie glaubte nicht daran. Falls er in den Park kam, würde es nach Einbruch der Dunkelheit geschehen, wenn die Straßenlaternen brannten und die Monde deutlich zu sehen waren. Es war jeden Tag der gleiche Ablauf, ohne Ausnahme. Aomame aß kurz zu Abend, kämmte sich die Haare und machte sich bereit, nach draußen zu gehen. Dort setzte sie sich auf den Gartenstuhl und richtete den Blick auf die Rutschbahn im abendlichen Park. Die Heckler & Koch und das kleine Fernglas von Nikon lagen stets griffbereit neben ihr. Aus Furcht, Tengo könnte erscheinen, wenn sie gerade auf der Toilette war, trank sie nicht mehr als den Kakao.
    Sie las nicht, und sie hörte auch keine Musik, sie starrte nur, unablässig lauschend, auf den Park. Dabei änderte sie ihre Haltung so gut wie nie. In klaren Nächten hob sie nur hin und wieder den Kopf, um sich zu vergewissern, ob es noch immer zwei Monde waren. Doch dann richtete sie ihren Blick sofort wieder auf die Rutschbahn. Sie beobachtete den Park, und die beiden Monde beobachteten sie.
    Aber Tengo tauchte nicht auf.
     
    Es waren nicht viele Menschen, die nachts in den Park kamen. Hin und wieder verirrten sich junge Liebespaare dorthin, setzten sich auf die Bank, hielten Händchen und tauschten kurze, nervöse Küsse wie zwei Vögelchen. Der Park war zu klein und zu gut beleuchtet. Meist gaben sie bald auf und gingen woanders hin. Manche kamen auch, um die öffentliche Toilette zu benutzen, und zogen enttäuscht (oder empört) von dannen, sobald sie erkannten, dass sie verschlossen war. Mitunter legte auch ein Angestellter auf dem Heimweg eine Rast ein und saß, vielleicht, um nüchtern zu werden, eine Weile mit hängendem Kopf auf der Bank. Am späten Abend kamen bisweilen einsame alte Leute, die ihre Hunde spazieren führten. Sowohl die Hunde als auch die alten Menschen wirkten gleichermaßen still, als hätten sie jede Hoffnung verloren.
    Doch in der Regel war der Park verlassen. Nicht einmal eine Katze huschte hindurch. Nur das unpersönliche Licht der Laterne fiel auf die Schaukel, die Rutschbahn, den Sandkasten und das verschlossene Toilettenhäuschen. Beim Anblick dieser Szenerie hatte Aomame häufig das Gefühl, auf einem unbewohnten Planeten zurückgelassen worden zu sein. Es war wie in diesem Film, in dem die Welt nach dem Atomkrieg geschildert wurde. Wie hieß er noch mal? Das letzte Ufer?
    Dennoch beobachtete sie weiter den Park. Mit aller Konzentration, wie ein Seemann, der ganz allein vom höchsten Mast die Weiten des Ozeans nach Fischschwärmen oder dem unheilvollen Schatten eines Periskops absucht. Ihre ganze Aufmerksamkeit war nur auf ein Ziel gerichtet: Tengo Kawana.
    Aber womöglich lebte Tengo ja in einer anderen Stadt und hatte sich an jenem Abend nur zufällig hierher verirrt. In diesem Fall wäre die Aussicht, dass er den Park noch einmal aufsuchen würde, gleich null. Doch Aomame glaubte nicht, dass es so war. Tengos Kleidung und sein ganzes Verhalten hatten so beiläufig gewirkt, als unternehme er einen kurzen Abendspaziergang durch die Nachbarschaft. Er war in den Park gekommen und auf die Rutschbahn geklettert. Vermutlich, um die Monde zu betrachten. Falls das stimmte, musste seine Wohnung von hier aus zu Fuß zu erreichen sein.
    Im Stadtteil Koenji eine Stelle zu finden, von der aus man den Mond sehen konnte, war nicht ganz leicht. Die Gegend war flach, und es gab so gut wie kein höheres Gebäude, auf das man steigen konnte. Somit bot sich die Rutschbahn für eine Mondbetrachtung geradezu an. Der Park selbst
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