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1997 - Das Ende des Sonnentresors

Titel: 1997 - Das Ende des Sonnentresors
Autoren: Unbekannt
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Düfte zwischen purer Neugier und Mordlust. Die Fesseln, mit denen sie seine Handgelenke auf den Rücken gebunden hatten, schnitten ins Fleisch. Die Finger der linken Hand fühlten sich bereits taub an. Den Geräuschen nach zu urteilen, errichteten die Vlatschis den Vierteiler am hinteren Ende des Innenhofes zwischen den Springbrunnen. Veldenhovv hatte in der Schule der Meisterdiebe selbst ein solches Museumsstück zusammengebaut und kannte jeden Handgriff. Der Vierteiler gehörte zu den Relikten aus der Vergangenheit, um die jemand wie er am besten einen großen Bogen machte.
    Das Gedränge der Schaulustigen nahm zu. Spöttische Rufe erklangen und reizten den Meisterdieb zur Weißglut. Jemand versetzte ihm von hinten einen Stoß, der ihn taumeln ließ. Er fiel auf die Knie. Veldenhovv grub in seinem Gedächtnis. Es war die erste Vierteilung in der Heiligen Stadt seit annähernd hundert Jahren. Damals hatten die Wächter an Hernstals Tor einen Meisterdieb erwischt, der in die Kristallwüste eindringen wollte. Die Kristalle behinderten seine Fähigkeit, deshalb hatten sie ihn entdeckt.
    Veldenhovv wusste den Namen des Bedauernswerten nicht mehr. Es spielte jetzt auch keine Rolle. Er konzentrierte sich auf sich selbst. Die Fähigkeit der Autosuggestion gehörte zu den sekundären Tugenden der Ausbildung, aber jeder Meisterdieb beherrschte sie ebenso perfekt wie die der Unsichtbarkeit. Die Geräusche um ihn herum wurden leiser. Sie hörten sich an wie das Murmeln eines fernen Baches. Gleichzeitig schärften sich seine Sinne um das Drei- bis Vierfache. Seinen Spitzohren entging kein Laut und kein Atemzug im Innenhof. Das plötzliche Verstummen aller metallischen Geräusche kündete vom Ende der Aufbauarbeiten.
    Vor seinem geistigen Auge sah er den Vierteiler emporragen. Viermal so hoch wie ein Vlatschi war das stählerne Monstrum. Das Gestell besaß vier senkrechte Führungsschienen, in denen der gekreuzte Messerbalken nach unten raste. Nirgendwo in der fortschrittlichen Galaxis Chearth gab es heutzutage ein einsatzbereites Gerät dieser Art außer in der Helligen Stadt auf Gunjar. In diesem Areal schien die Zeit stehengeblieben, seit das Hauptvolk der Wlatschiden den Planeten aufgegeben hatte.
    Der Gedanke an die Zeitlosigkeit des Vorgangs hob sein Gespür für die Umgebung auf. Und er half ihm, den eigenen Körper zu vergessen. Das Bewusstsein des. eigenen Gewichts ging ebenso verloren wie der Bezug zu unten und oben. Als kräftige Arme ihn packten und empor rissen, war er sich über die Bewegungsrichtung nicht im Klaren. „Ein solches Ende hast du nicht erwartet, oder?" höhnte eine Stimme. „Wir werden dich auf den Schlitten legen und ein wenig zappeln lassen. Wenn du es zischen hörst, ist es soweit. Der Messerbalken stanzt deinen Körper in vier Teile, verschont aber deinen Kopf."
    Veldenhovv ahnte nur, was der Soldat sagte. Die Worte selbst gingen im Gemurmel des fernen Baches unter. Sie zerrten ihn davon und legten ihn mit dem Rücken auf das blanke und kalte Metall der Apparatur. Inzwischen hatte der Meisterdieb sich vollständig unter Kontrolle. Seine Ohren nahmen das Gemurmel der Menge und das Klirren des Metalls nicht mehr wahr. Vielleicht war Hernstal gnädig und gab ihm die Kraft, diesen Zustand bis zum Eintritt des Todes beizubehalten. Der Schlitten begann zu beben. Jeden Augenblick musste es geschehen. Der gewaltige Aufschlag des Messerbalkens auf ,seinen Körper...
    Der Schlitten bebte stärker. Etwas wie ein fernes Grollen drang in sein Bewusstsein. Veldenhovv fröstelte übergangslos am ganzen Körper. Den Zuschauern schien es ebenso zu ergehen. Das Klappern von Zähnen holte den Meisterdieb teilweise aus seiner Selbsthypnose. Erste Rufe des Schreckens erfüllten den Innenhof. Das aufgeregte Raunen der Soldaten ging reihum und ermöglichte es dem Meisterdieb, ihre Anzahl und ihren Standort zu bestimmen. Der Wind trieb einen Geruch herbei, der Veldenhovv alle Pelzhaare zu Berge stehen ließ. Er gehörte zu einem Vlatschi, trug aber gleichzeitig eine erschreckende Fremdartigkeit in sich. „Die Hinrichtung wird verschoben." Das war zweifellos die Stimme Boningareys. Aber sie klang anders, als der Meisterdieb sie in Erinnerung hatte.
    Etwas wie Selbstzweifel ließ sich darin erkennen, gepaart mit höchster Wachsamkeit. Und dann entrang sich der Kehle des Wylkas übergangslos ein schriller Schrei. „Was ...", keuchte er. „Was willst du von mir?"
    „Nichts!" Tief und grollend drang die Antwort durch
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