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1993 - Vorstoß in den Kessel

Titel: 1993 - Vorstoß in den Kessel
Autoren: Unbekannt
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empfindlich sind, gewinnt peinigende Intensität. Ich fühle mich, als trage ich Kleidung aus Sandpapier. Neben dem beachtlichen Wolf, den ich mir gelaufen habe, gibt es mehrere Dutzend anderer Hautbereiche, die inzwischen die Farbe eines verbrühten Krebses angenommen haben müssen.
    Von den Blutblasen an den Füßen ganz zu schweigen ...
    Mühsam sammle ich Speichel und stoße einen halblauten Fluch aus. Ich bereue diesen Ausbruch augenblicklich; die ohnehin ausgetrockneten Lippen springen auf, metallisch bitterer Geschmack lässt mich mehrmals würgen. Ich stemme die Fäuste auf die Schenkel und schnappe nach Luft. Eine brodelnd heiße Bö raubt mir den Atem. Aus zusammengekniffenen Augen starre ich umher, ohne dass ich die Umgebung wirklich wahrnehme. Greifbar nahe und doch unendlich fern lodert das Fanal der SOL. Dutzende Kilometer entfernt oder auch viele hundert - wer will das auf dieser Kunstwelt schon genau sagen?
    Aufrecht schwebt der untere Pol des blendend goldenen Hantelkörpers dicht über der Wüste, die obere Kugelwölbung achttausend Meter höher. Weiterhin umgibt die Lohe das Raumschiff, eine permanent wogende Flammenwand, meist aus bläulich transparenten Zungen, dann wieder aus roten und gelben Eruptionen bestehend. Explosionsgleiche Glutpilze steigen auf und verwehen.
    Dazwischen zucken vereinzelt Funkenentladungen aus der Carithülle, formen vielfach gezackte Blitze und Lichtbögen. Einzelne Bahnen scheinen manchmal bis zur Kunstsonne hinaufzureichen, andere schlagen rings um die SOL in die Wüste ein und tanzen einen elmsfeuerähnlichen Reigen. Und alles geschieht mit einer erschreckenden Lautlosigkeit. Etwas wie elektrostatische Aufladung .überzieht dagegen die gesamte Landschaft. Vereinzelt glaube ich ein Summen zu hören, unterbrochen von plötzlich aufhallendem Getöse, wenn sich die Spannung entlädt. In der Ferne entsteht dann ein Wetterleuchten, das mit seinem Gleißen sogar die Grelle in der Wüste und den qualvoll hellen blaugrauen Himmel überdeckt.
    Fahrig wische ich mir über das Gesicht und zupfe das rotweiß karierte Tuch mit den Knoten an den vier Ecken zurecht. Es muss eine Ewigkeit hersein, seit es plötzlich vor meine Füße geflattert und von mir in eine Kopfbedeckung verwandelt. worden ist. Gedanken über typische Wüstenwanderer-Klischees oder ein lächerliches Aussehen sind längst ins Unbewusste verdrängt. Die SOL ist das Ziel. Ich muss sie erreichen!
    Lange Sekunden verstreichen, bis die Frage nach dem Warum in mein Wachbewusstsein dringt. Für eine Antwort habe ich nicht mehr die Kraft. Denken strengt an, vor allem, wenn der Körper die letzten Reserven aktivieren muss. Dennoch trudelt ein Erinnerungsfragment am Rand meines Wachbewusstseins...
    „Dein Auftrag ist, allein weiterzumarschieren", sagte Takvorian bedrückt. „Es wurde bestimmt, dass du die SOL erreichen musst! Allein!" Er brauchte nicht zu sagen, von wem dieser Befehl kam. Ich fragte unwirsch: „Warum?" Seine Hände machten eine umfassende Bewegung, dann zeigte er auf meine Schulter, in der der Zellaktivator pulsierte. „Du bist der allegorische Brennpunkt der übrigen Ereignisse. Symbol für das, was ringsum passiert. Das, was du erleben wirst, wird die Schwierigkeiten, das Schicksal der Virtuellen Schiffe und der Superintelligenzen widerspiegeln. In dir fokussiert sich die übrige Entwicklung versagst du, versagen alle!"
    „Entzückende Vorstellung." Ich schüttelte mich. „Quasi die Umsetzung des uralten: Wie oben, so unten?"
    „Eine interaktive Verbindung", bestätigte Tako Kakuta mit ausdruckslosem Gesicht „im Sinne einer akausalen Synchronizität - also ein Parallel-Laufen von Ereignissen gleichen Sinngehalts, die direkt eigentlich nichts miteinander zu tun zu haben scheinen ..."
    Ich seufzte abrundtief. Weiterhin hielt mich eine Art Trance im Griff; sie verhinderte ein größeres Wundern oder tieferes Nachdenken. „Mir bleibt wohl keine andere Wahl? Hab' ich mir gedacht. Also, bringen wir es hinter uns."
    „Viel Glück!"
    „Werde ich brauchen ..."
    Verwirrt runzle ich die Stirn, starre umher und habe doch keinen Blick für die an sich faszinierende Landschaft mit ihren vielgestaltigen Bildern und dem mitunter bizarren Formenreichtum. Auf wenigen Kilometern wechseln die Eindrücke in rascher Folge: ausgezackte Felsgipfel neben tiefen Schluchten, leicht geschwungene, fast ebene Schotterflächen, dann mächtige Dünen und Trockenseen mit salzfunkelnder Oberfläche. Kuppen und Berge besitzen
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