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1993 - Vorstoß in den Kessel

Titel: 1993 - Vorstoß in den Kessel
Autoren: Unbekannt
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meist scharfe und kantige Umrisse, weil ihnen jede Vegetation fehlt. Sanft abfallende Flanken gehen in Fächer über, die aus Sand, Schutt und Felsblöcken bestehen. Riesige Findlinge sind von einem dünnen Salzüberzug bedeckt, dessen Glitzern zu tanzenden Sternen wird.
    Links bemerke ich verzögert eine ausgedehnte Lehmpfanne, deren steinharte Oberfläche von Trockenrissen in skurrilem Netzwerkmuster überzogen ist. Dahinter ragt haushoch ein einzelner Pilzfelsen auf, von Wind und Sand zurechtgeschliffen. Schatten bietet er keinen die Kunstsonne Wanderers hängt unbeweglich im Zenit. Weiter! treibe ich mich an, schmecke Blut und bewege den pelzigen Fremdkörper, der normalerweise meine Zunge ist.
    Abermals wanke ich einige Schritte. Mein Zeltgefühl hat sich längst verflüchtigt. Keuchender Atem ist der schmerzhaft pfeifende Rhythmus; Takt von Sekunden, die scheinbar zu Ewigkeiten gedehnt sind. Heftig pochender Puls dröhnt mden Ohren; das einzige noch maßgebliche Geräusch vermischt mit dem Trommeln des Zellaktivators gleich einer überdimensionierten Kesselpauke. Ein peinigendes Bomm, Bomm, Bomm...
    Das Blut scheint in den Adern zu kochen. Die Augen schmerzen. Kaum eine Spur von Schatten - die Kunstsonne brennt gnadenlos herab, ein winziger blauschwarzer Schemen der Begleiter meiner torkelnden Schritte. Poltern durchbricht die Stille. Von einer Berghöhe kracht Schutt in die Tiefe und vergrößert die Halde am Fuß. Einzelne Felspartien ragen steil und kantig empor; Windschliff hat an einer Stelle eine runde Öffnung in das Gestein gefräst - hoch überwölbt von einem zierlichen Bogen. Ein Felsentor in diversen Brauntönen; auch hier der scharfkantige Schatten von zu vernachlässigender Größe.
    Ich kämpfe mich vorwärts. Schritt für Schritt, Fuß vor Fuß. Rechts erstreckt sich eine wild zerklüftete Gebirgskette hinter wabernder Luft.
    Scharfgratige Rippen und tief eingeschnittene Rinnen werden von drei Bergen überragt. Vage kriecht die Erinnerung durch meinen dröhnenden Kopf, dass Schichten aus weicherem Sedimentgestein im Wechsel mit solchen härterer Natur solche Plateaus und Tafeln entstehen lassen. Oft spiegeln sie als seltsam anmutende Abfolgen von Klippen, Steilhängen und Abgründen die Kombination von Verwitterung, sporadischen, aber starken Auswaschungen und Bodenhebungen wider. Und weitere heiße Windstöße... Atemberaubend, dafür sorgend, dass sich auf meiner glühenden Haut kein einziger Tropfen kühlenden Schweißes bildet. Die Verdunstung ist extrem: Aus der Tiefe meiner Gedanken steigt das Wissen auf, dass ich unter diesen Bedingungen literweise Wasser verliere - und diesen Verlust nicht ersetzen kann ... Und Staub!
    Heftige Böen wirbeln ihn auf. Mitunter viele hundert Meter hoch, so dass die Kunstsonne verdüstert wird. Im Gegensatz dazu fliegt Sand nicht so hoch; die Einzelpartikel sind zu schwer, so dass sie nur wenige Meter hoch empor getragen werden können. Stattdessen entstehen sich über den Boden voranwälzende Wolken. Die schotterübersäte Landschaft senkt sich leicht ab, geht in ein Meer von Sand über, das von gleichförmigen Winden zu Sicheldünen aufgetürmt ist. Abermals eine mühsam aufsteigende Erinnerung: Barchan werden sie genannt...
    Sie liegen mit Zwischenräumen neben- und hintereinander. Die Außenseiten der Halbmonde kehren sich dem Wind zu, Sand wird den langen Abhang bis zum Dünengrat hinaufgeblasen und rieselt dann die steile Leeseite wieder hinab. Weil die geringeren Sandmassen an den Flanken schneller bewegt werden, wachsen die dünnen Enden spitz nach vorne. Wechselt die Windrichtung, kehrt sich auch die Sichelform um, und bei wechselnden Winden entstehen unregelmäßige Formen, die an Sterne erinnern und weitgehend stationär sind, während die Wanderung von Sicheldünen häufig zwanzig und mehr Meter pro Jahr erreicht.
    Ich tappe weiter, schleppe mich voran, atme keuchend und sehne mich nach Kühle, Schatten und vor allem Wasser. Der Flüssigkeitsverlust ist immens. Schon nach der ersten Stunde ist der erste Liter salzhaltigen Wassers ausgeschwitzt, und der Durst wird peinigend. Beträgt die Temperatur an die fünfzig Grad und es gibt keine Flüssigkeit, überlebt man schwerlich auch nur einen einzigen Wüstentag. Mit täglich vier Litern gibt es vielleicht die Chance. etwas länger durchzuhalten. Erst Tagesrationen von sieben und mehr Litern ... Der Gedanke bricht ab.
    Dennoch bohrt und peinigt das Wissen im Untergrund: Ermüdung der Schweißdrüsen,
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