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198 - Sohn und Dämon

198 - Sohn und Dämon

Titel: 198 - Sohn und Dämon
Autoren: Jo Zybell
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erschrak. Auf einmal spürte sie die Gewalttätigkeit, die in ihm wütete, und die Warnung des Pflanzengottes aus ihrem Traum echote in ihren Ohren: Hüte dich vor ihm. Er ist gefährlich…
    Zugleich hörte sie die Erschöpfung aus seiner brüchigen Stimme heraus. Der Junge war vermutlich viel zu geschwächt, um sein Schwert überhaupt noch zum Schlag zu erheben. Er prahlt, dachte Aruula, er will mir imponieren.
    »Lass es bleiben!«, rief sie zum Wasserloch hinunter.
    »Gegen so viele Feinde haben wir keine Chance!«
    »Ich soll mich diesem Pack kampflos ergeben?«
    Fassungslos starrte er zu ihr herauf. »Ich soll dich ihnen wieder ausliefern?«
    »Ich habe Angst um dich, Daa’tan! Ich will dich nicht gleich wieder verlieren!«
    »Wir werden kämpfen!«, rief er trotzig. Er wankte zurück zum Wasserloch, kniete nieder und legte die Hände auf den Boden.
    Aruula seufzte. Es war sinnlos, ihn davon abhalten zu wollen. Er war ein junger Hitzkopf, der nur aussah wie neunzehn; in Wirklichkeit war er nichts als ein störrisches Kind. Und zwar eines von der Sorte, die um jeden Preis durchsetzen wollten, was sie sich in den Kopf gesetzt hatten.
    Aruula beobachtete den Wald. Die Mammutwarane näherten sich langsam aber unaufhaltsam. Den ersten trennten kaum noch hundert Schritte vom Felsen. Sie wunderte sich, denn an keiner Stelle des Dornenwaldes konnte sie erkennen, dass Sträucher, Büsche oder auch nur Gräser weiter wuchsen.
    Sie ging auf die andere Seite des Felsplateaus und blickte hinunter. Das Malala sprang ziellos um das Wasserloch herum und flötete aufgeregt. Daa’tan lag im Gras, warf sich hin und her und stöhnte laut.
    »Daa’tan!« Aruula stieg in den Felskamin und kletterte hinunter, so schnell sie konnte. »Daa’tan! Was ist mit dir?«
    »Ich kann es nicht«, stöhnte er. »Ich versuche und versuche, doch es geht nicht!« Er heulte vor Wut. Plötzlich war er tatsächlich nur noch ein fünfjähriger Knabe im Körper eines jungen Burschen. »Es geht einfach nicht…!« Er schlug mit dem Hinterkopf auf den Boden, wieder und wieder. »Es geht nicht…!«
    »Ruhig, mein Sohn, ganz ruhig!« Aruula hielt ihn an den Schultern fest. »Was ist dir denn…?«
    »Da ist eine fremde Kraft…«
    »Aber nein, mein Sohn, du bist einfach nur geschwächt!«
    Sie legte sich neben ihn, um ihn zu beruhigen. »Bedenke doch, was du geleistet hast – die Flucht, die geistige Anstrengung, der schwere Kampf…«
    »Nein, nein…!« Er drückte sie von sich. »Da ist eine Kraft, die mir widersteht! Ich muss mich ihr beugen, aber ich will es nicht! Niemandem will ich mich beugen!«
    Plötzlich raschelte Laub und Äste splitterten. Der Boden dröhnte unter schweren Schritten. Mutter und Sohn fuhren hoch. Ein Mammutwaran brach aus dem Waldrand. Ein Dutzend Anangu hockten in der Panzerhaut seines mächtigen Rückens, ein Dutzend weitere stürmten hinter ihm aus dem Wald. Sie waren mit Speeren, Schwertern und Äxten bewaffnet. Als sie Aruula und Daa’tan sahen, blieben sie stehen und fixierten sie schweigend.
    Daa’tan sprang auf, riss sein Schwert hoch und hinkte ihnen entgegen.
    »Nicht, Daa’tan!«, schrie Aruula und rannte hinter ihm her.
    »Sie werden dich töten!«
    Ein uralter Mann trat aus dem Wald. Er hatte schneeweiße Locken und war nur mit einem Lendentuch bekleidet. Über seiner Schulter hing ein Stoffsack, seine schwarze Haut war über und über mit roten und weißen Tätowierungen gezeichnet.
    Daa’tan sah ihn und blieb stehen, als wäre er gegen einen unsichtbaren Wall gelaufen. »Der da ist es«, flüsterte er. »Von dem geht die Kraft aus…«
    Der Greis fixierte Daa’tan. Sein zerfurchtes Gesicht war grimmig und voller Zorn. Daa’tan wich vor ihm zurück.
    Plötzlich riss der Alte ein Blasrohr an die Lippen. Es machte Flopp, etwas zischte durch die Luft und Daa’tan griff sich an den Hals. Er sackte in die Knie.
    »Daa’tan!« Aruula hielt ihn fest, doch er war zu schwer.
    Erschlafft brach er zusammen. So behutsam sie konnte, ließ Aruula ihn auf den Boden gleiten. In seinem Hals steckte ein Pfeil. Aruula riss ihn heraus »Ist… ist das Gift?«
    »Es wird ihn nicht töten.« Sie verstand jedes Wort des Alten. »Es betäubt ihn nur.« Der Greis trat näher. »Und das soll es auch, denn er ist gefährlich.«
    Anangu packten Aruula und rissen sie weg von Daa’tan. Die Krieger stülpten ein Netz über sie. Ein untersetzter Krieger mit brauner Haut und vorgeschobenem Unterkiefer ging zu dem Bewusstlosen
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