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198 - Sohn und Dämon

198 - Sohn und Dämon

Titel: 198 - Sohn und Dämon
Autoren: Jo Zybell
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vollständig ein und schob ihre äußersten Triebe bereits in das Brustfell. Das Mammutschaf blökte jämmerlich.
    Aruula hielt sich die Ohren zu.
    Vier, fünf Anangu stolperten fast gleichzeitig! Die anderen blieben stehen und schauten sich nach ihren Gefährten um.
    Pflanzensprösslinge waren aus dem Boden geschossen, hatten sich um die Knöchel der Gestürzten geschlungen und sie umgerissen.
    Die anderen liefen zurück und hoben Äxte und Schwerter, um die Gewächse von den Beinen ihrer Kampfgefährten zu trennen. Doch plötzlich wuchs überall rings um die schwarzen Krieger neues Dornengestrüpp aus dem trockenen Erdreich.
    Die am Boden liegenden Anangu verstrickten sich immer tiefer darin, ihre auf eigenen Beinen stehenden Gefährten schlugen um sich und versuchten dem ungeheuerlichen Angriff der Pflanzenwelt irgendwie auszuweichen.
    Mit offenem Mund kniete Aruula am Rand des Felsens und konnte nicht glauben, was sie sah. Die anfängliche Genugtuung über die Schwierigkeiten ihrer Verfolger hatte sich längst in tief empfundenen Schrecken verwandelt. Und als sie wieder zu dem Schafstitanen blickte, steigerte sich der Schrecken zu blankem Entsetzen: Die Dornenranken wucherten bereits um den Schädel des bedauernswerten Tieres.
    »Bei Wudan!« Aruula schlug die Hände vor den Mund. Die Ranken zerrten den Schafstitan in die Knie. Er stürzte jämmerlich blökend zur Seite. Der Boden erzitterte, eine Staubwolke erhob sich über das Gestrüpp, und als sie sich wieder senkte, sah Aruula, dass die Dornen den mächtigen Körper schon fast vollständig überwuchert hatten. Bald verstummte das Geblöke des sterbenden Riesentieres.
    Aruula zitterte am ganzen Körper. Sie stand auf, um zurückzuweichen. Ein Wald wuchs unter ihren Augen zwischen dem Fels und dem Schafskadaver, ein lebender Wald! Schon konnte sie keinen der Anangu mehr sehen, sie hörte nur noch das Gebrüll der Männer.
    Im Dach des wuchernden Waldes glaubte sie auf einmal rötlich-violette Blütendolden zu erkennen, wabenartige Blütenblätter und feine braungrüne Fasern, die aus dem Geäst ragten und sich im Wind bewegten. »Nein…«, hauchte sie.
    »Das kann doch nicht sein…« Sie wich unwillkürlich zurück.
    Ihr Traum!
    Die Wirklichkeit hatte sich in ihren Traum verwandelt!
    Aruula drehte sich im Kreis: Überall ringsum wucherte der Wald – bis auf einen Ring von etwa zehn Metern Durchmesser um den Felsen herum. Innerhalb dieses Kreises sah die Landschaft aus wie in dieser Gegend üblich: steppenartig und von dürrem Gras und wenigen Sträuchern bewachsen.
    Aruula taumelte an einem Felskamin vorbei und trat auf die andere Seite des kleinen Felsplateaus. Zwanzig Meter unter ihr dehnte sich ein Wasserloch von vielleicht sieben Metern Durchmesser aus. Ein rotbraunes Tier stand an seinem Rand und äugte verwundert in den wuchernden Wald. Ein Malala.
    Neben ihm kniete ein Mann auf dem Boden und stemmte die Handflächen ins Gras. Es sah aus, als würde er beten, oder lauschen, oder mit dem Erdreich sprechen.
    Der Mann war jung und hatte lange schwarze Locken. Die gleichen blauschwarzen Locken, wie sie sie hatte. Ein langes Schwert lag neben ihm im Gras. Aruulas Nackenhaar richtete sich auf. Sie kannte den jungen Burschen. Sie kannte ihn aus ihrem Traum!
    Sie hob die Linke und betrachtete ihren kleinen Finger. Er war nicht mehr verstümmelt! Das abgetrennte oberste Glied war… nachgewachsen! Es sah seltsam grünlich aus. Sie berührte ungläubig den kleinen Finger mit der Rechten. Er war aus Fleisch und Blut, keine Illusion.
    Ein Eiszapfen schien sich in ihr Hirn zu bohren; sie fröstelte.
    Auf einmal trat Stille ein. Jetzt erst wurde Aruula das Rascheln und Splittern bewusst, das sie die ganze Zeit umgeben hatte. Jetzt herrschte plötzlich Ruhe.
    Sie ließ den Arm sinken und blickte in den Wald. Er wucherte nicht mehr. Doch das Pflanzenwesen aus ihrem Traum schien allgegenwärtig zu sein. Plötzlich sah sie klar, so klar, dass es wehtat: Der junge Bursche dort unten trug sein Erbe in sich. Er verfügte über die Macht des Pflanzengottes. Der junge Bursche dort unten war ihr Sohn!
    Jetzt richtete er sich auf und blickte zu ihr herauf. Er lächelte. In seinem Gesicht meinte sie die kantigen Züge von Maddrax zu erkennen. Es war nass von Schweiß. Er griff nach seinem Schwert, stand auf und ging um den Fels herum an den Rand des unheimlichen Waldes…
    ***
    Ulros brüllte Befehle nach allen Seiten. Er schrie gegen das Entsetzen an. Und um sich selbst und
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