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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier
Autoren: Robert Ludlum
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Ladeplane über dem Horizont. Der Güterzug verlangsamte seine Fahrt und erreichte das Schienensystem des Ladebahnhofs. Sie hielten an einem Signal, bis ein uninteressierter Spedizioniere in der Uniform der Staatsbahnen auf eine Biegung im Schienenstrang wies, wo eine grüne Scheibe vor einer roten in die Höhe fuhr. Das war das Signal, in den Hauptgüterbahnhof von Mailand zu rollen.
    »Wir sind hier!« rief Anaxas. »Einen Tag Ruhe und dann nach Hause! Ich muß sagen, ihr seid wirklich bemerkenswert!«
    »Ja«, sagte Petride einfach. »Wir sind bemerkenswert.«
    Der Priester sah seinen Bruder an. Die Geräusche des Frachtbahnhofes waren für Anaxas wie Musik. Er sang ein griechisches Lied, und sein ganzer Oberkörper schwang rhythmisch zu den Klängen der Melodie.
    Es war seltsam, das Lied, das Anaxas sang. Es war kein Eisenbahnlied, es gehörte zum Meer. Es war ein Lied, wie die Fischer von Thermaikos es sangen. Daran war etwas sehr Passendes, fand Petride, daß in einem solchen Augenblick ein solches Lied gesungen wurde.
    Die See war Gottes Quell des Lebens. Aus der See hatte Er die Erde geschaffen.
    Ich glaube an einen Gott... den Schöpfer aller Dinge...
    Der Xenope-Priester holte die schwere italienische Pistole unter seinem Hemd hervor. Er trat zwei Schritte nach vorn, auf seinen geliebten Bruder zu, hob den Lauf der Waffe. Sie war nur wenige Zentimeter vom Anaxas' Genick entfernt.
    ... die sichtbaren und die unsichtbaren... und an einen Gott, Jesus Christus... vom Vater als einziger gezeugt...
    Er drückte ab.
    Die Explosion erfüllte den kleinen Führerstand der Lokomotive.
    ... das Wesen des Vaters... den Gott Gottes... das Licht des Lichts...
    Der Xenope-Priester schloß die Augen und schrie in religiöser Verzückung auf, als er sich die Waffe gegen die eigene Schläfe hielt.
    »... gezeugt, nicht geschaffen! Ich werde dem Herrn ins Auge sehen und nicht zagen!«
    Er feuerte.
Teil eins
1
    29. DEZEMBER 1939
    MAILAND, ITALIEN
    Savarone ging an der Sekretärin seines Sohnes vorbei in dessen Büro und über den mit dicken Teppichen belegten Boden ans Fenster und blickte auf die weitläufigen Fabrikgebäude der Fontini-Cristi-Werke hinaus. Sein Sohn war natürlich nirgends zu sehen. Sein Sohn, sein ältester Sohn, hielt sich selten in seinem Büro auf. Er hielt sich, was das anging, auch selten in Mailand auf. Sein erster Sohn, der Kronprinz der Fontini-Cristi-Werke, war unverbesserlich. Und arrogant. Und viel zu sehr auf sein persönliches Wohlergehen bedacht.
    Brillant war Vittorio auch. Ein viel brillanterer Mann als der Vater, der ihn ausgebildet hatte. Eine Tatsache, die Savarone nur noch wütender machte. Ein Mann, der über solche Anlagen verfügte, trug auch größere Verantwortung als andere Männer. Er begnügte sich nicht mit den täglichen Leistungen, die sich von selbst ergaben. Er trieb ja auch nicht Völlerei, hurte nicht herum oder verspielte sein Geld nicht beim Roulette oder beim Baccara. Er vergeudete auch nicht seine Nächte mit den nackten Kindern des Mittelmeeres. Er wandte sich auch nicht einfach von den Ereignissen ab, die sein Land zum Krüppel zu machen drohten und es ins Chaos trieben.
    Savarone hörte ein leichtes Hüsteln hinter sich und drehte sich um. Vittorios Sekretärin hatte das Büro betreten.
    »Ich habe an der Borsa Valori für Ihren Sohn eine Nachricht hinterlassen. Ich glaube, er wollte sich heute nachmittag dort mit seinem Makler treffen.«
    »Das glauben Sie vielleicht, aber ich bezweifle, daß Sie es auf seinem Kalender finden.« Savarone sah, wie das Mädchen rot wurde. »Ich bitte um Entschuldigung. Sie sind nicht für meinen Sohn verantwortlich. Wahrscheinlich haben Sie das ohnehin schon getan, aber ich schlage jedenfalls vor, daß Sie die verschiedenen Privatnummern probieren, die er Ihnen gegeben hat. Mir ist dieses Büro hier vertraut. Ich werde warten.« Er zog seinen leichten Kamelhaarmantel aus und warf ihn zusammen mit dem grünen Tirolerhut auf den Sessel, der neben dem Schreibtisch stand.
    »Wie Sie wünschen.« Das Mädchen ging hinaus und schloß die Tür hinter sich.
    Das Büro war ihm vertraut, dachte Fontini-Cristi, obwohl er das Mädchen hatte darauf aufmerksam machen müssen. Bis vor zwei Jahren war es sein Büro gewesen. Heute gab es hier nur noch wenig, was an ihn erinnerte, nur die dunkle Holzvertäfelung. Das ganze Mobiliar war ausgetauscht worden. Vittorio hatte die vier Wände akzeptiert, sonst nichts.
    Savarone saß in dem großen Drehstuhl
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