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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier
Autoren: Robert Ludlum
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entsprach. Und er sorgte dafür, daß er ihnen entsprach. Er setzte seine finanzielle Macht rücksichtslos ein, nutzte seine Erfahrung - die Erfahrung, die er an der Seite seines Vaters gewonnen hatte - auf arrogante Weise.
    Das Telefon klingelte. Savarone war versucht, den Hörer abzunehmen, aber er tat es nicht. Dies war das Büro seines Sohnes, das Telefon seines Sohnes. Statt dessen erhob er sich aus dem schrecklichen Sessel und ging quer durch das Zimmer zur Tür. Er öffnete sie. Die Sekretärin wiederholte einen Namen.
    »...Signore Tesca?«
    Savarone unterbrach sie. »Ist das Alfredo Tesca?«
    Das Mädchen nickte.
    »Sagen Sie ihm, er soll am Apparat bleiben. Ich will mit ihm sprechen.«
    Savarone ging schnell zum Schreibtisch seines Sohnes und dem Telefon zurück. Alfredo Tesca war Vorarbeiter in einer der Fabriken. Er war auch ein Partigiano.
    »Fontini-Cristi«, sagte Savarone.
    »Padrone? Ich bin froh, daß Sie das sind. Die Leitung ist sauber, wir prüfen sie jeden Tag.«
    »Nichts ändert sich. Es beschleunigt die Dinge nur.«
    »Ja, Padrone. Wir haben ein ernsthaftes Problem. Ein Mann ist mit dem Flugzeug aus Rom gekommen. Er muß sich mit einem Mitglied Ihrer Familie treffen.«
    »Wo?«
    »In dem Haus in Olona.«
    »Wann?«
    »Sobald wie möglich.«
    Savarone sah den Mantel und den grünen Filzhut an, die er über den Stuhl geworfen hatte. »Tesca? Erinnern Sie sich an das Treffen vor zwei Jahren? In dem Apartment am Duomo?«
    »Ja, Padrone. Es ist gleich sechs. Ich erwarte Sie.«
    Fontini-Cristi legte den Hörer auf und griff nach Hut und Mantel. Er sah auf die Uhr. Es war siebzehn Uhr fünfundvierzig; er mußte ein paar Minuten warten. Der Weg über den asphaltierten Platz hinüber in die Fabrik war kurz. Er mußte es zeitlich so abstimmen, daß er das Gebäude dann betrat, wenn die Tagschicht die Fabrik verließ und die Nachtschicht ihre Arbeit antrat.
    Sein Sohn hatte jeden erdenklichen Nutzen aus der Kriegsmaschine des Duce gezogen. Die Fontini-Cristi-Werke arbeiteten rund um die Uhr. Als der Vater dem Sohn Vorwürfe gemacht hatte, hatte der darauf erwidert: »Wir machen keine Munition. Darauf sind wir nicht eingerichtet. Die Umstellung wäre zu teuer. Wir machen nur Gewinne, Vater.«
    Sein Sohn, der fähigste von allen, war hohl.
    Savarones Blick fiel auf das Foto in dem silbernen Rahmen, das auf Vittorios Schreibtisch stand. Die bloße Tatsache seiner Existenz war ein grausamer, selbstzerfleischender Scherz. Das Gesicht auf der Fotografie war das einer jungen Frau, hübsch im üblichen Sinn, mit den Gesichtszügen eines verzogenen Kindes, das zu verzogener Reife heranwuchs. Sie war Vittorios Frau gewesen, vor zehn Jahren.
    Es war keine gute Ehe gewesen. Eher ein industrielles Bündnis zwischen zwei Familien von immensem Wohlstand. Die Braut hatte wenig in die Verbindung eingebracht; sie war eine schmollende, selbstsüchtige Frau, für die nur der Besitz zählte. Sie starb bei einem Autounfall in Monte Carlo am frühen Morgen, nachdem die Casinos geschlossen hatten. Vittorio sprach nie von jenem frühen Morgen; er war nicht bei seiner Frau gewesen. Ein anderer war bei ihr gewesen.
    Sein Sohn hatte vier Jahre turbulenter Unstimmigkeiten an der Seite einer Frau verbracht, die er nicht ausstehen konnte, und doch stand die Fotografie auf seinem Tisch. Zehn Jahre später. Savarone hatte ihn einmal gefragt, weshalb.
    »Der Stand des Witwers verleiht meinem Stil zu leben ein gewisses Maß an Konventionalität.«
    Es war sieben Minuten vor achtzehn Uhr. Zeit, zu beginnen. Savarone verließ das Büro seines Sohnes und sagte zu der Sekretärin: »Bitte rufen Sie hinunter und lassen Sie meinen Wagen ans Westtor bringen. Sagen Sie meinem Chauffeur, ich hätte eine Verabredung am Duomo.«
    »Wird sofort erledigt. Möchten Sie eine Nummer hinterlassen, wo Ihr Sohn Sie erreichen kann?«
    »Campo di Fiori. Aber bis er anruft, werde ich ohne Zweifel schon schlafen.«
    Savarone nahm den Privatlift ins Erdgeschoß und trat durch den Direktionseingang ins Freie. Dreißig Meter entfernt ging sein Chauffeur auf die Limousine mit dem Wappen der Fontini-Cristi zu.
    Die Männer tauschten Blicke. Der Chauffeur nickte kaum merkbar; er wußte, was er zu tun hatte. Ein Partigiano.
    Savarone ging über den Hof. Er wußte, daß man ihn beobachtete. Das war gut; das war auch vor zwei Jahren so gewesen, als die Geheimpolizei des Duce jede seiner Bewegungen überwachte und versuchte, das Versteck einer antifaschistischen Zelle
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