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197 - Der Geist im Kristall

197 - Der Geist im Kristall

Titel: 197 - Der Geist im Kristall
Autoren: Mia Zorn
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Oberste der Daa’muren in seiner Höhle und wartete auf Antwort. Und Tausende seines Volkes warteten mit ihm.
    (Hörst du mich?), wiederholte Ora’sol’guudo. Und diesmal erhielt er Antwort.
    (Ich höre dich, Ora’sol’guudo! Und es gefällt mir nicht, was ich höre!)
    Der Sol registrierte, wie die Hitze durch seinen Wirtskörper pulsierte. Dünne Rauchfahnen krochen aus den Kiemenöffnungen unterhalb seiner Achseln.
    Die mächtige Präsenz des Wandlers umschloss seinen Geist.
    (Es entsprach nicht meinem Plan, auf einem Planeten wie diesem zu landen und die biologischen Organisationen zu verdrängen, die darauf leben. Mit jedem Leben, das du und die deinen ausgelöscht haben, hast du auch Schuld auf mich geladen, deinen Herrn!)
    Ora’sol’guudo beobachtete, wie seine Körpertemperatur rapide fiel. Seine Schuppen bewegten sich unregelmäßig und verursachten ein rasselndes Geräusch. Was glaubte dieses Wesen, wen es vor sich hatte? Einen kleinen Leq? Einen willenlosen Fol’oor? Lichter flackerten vor seinen Augen. Ein Rauschen störte seine Hörorgane. Er durfte jetzt nicht die Kontrolle verlieren! Nicht jetzt! Er war der Sol! Er musste alles dafür tun, um das Überleben seiner hoch entwickelten Spezies zu sichern!
    Aber Ora’sol’guudo konnte seinen Überlegungen nicht mehr folgen. Sein Wirtskörper zitterte und seiner Kehle entwichen gurgelnde Laute. Schließlich hörte der Führer der Daa’muren sich brüllen: »Es ist unwichtig, wessen Plan es war und ob er funktioniert hat oder nicht! Wir sind hier, wir haben überlebt und uns zur beherrschenden Rasse des Planeten aufgeschwungen, und nun bist du wieder aktiviert! Mit dir werden wir den Zielplaneten zum Zentralgestirn steuern und zu Magma verflüssigen! Mit dir –«
    Weiter kam er nicht.
    Eine mächtige mentale Druckwelle jagte durch die Höhle und warf den Sol zu Boden. Der Kristallsplitter entglitt seiner Faust. Ora’sol’guudo wollte nach ihm greifen, aber die mächtige Präsenz des Wandlers gestattete es nicht.
    (Ich habe genug gehört, Ora’sol’guudo! Du wirst kein neues Daa’mur errichten. Du wirst tun, was ich verlange!) (Warum sollte ich? Ich bin ein Sol und kein Sklave!) (Weil ich dich geschaffen habe! Es gibt Wichtigeres als dich und dein Volk! Du wirst deiner Bestimmung folgen oder untergehen!) Damit entließ der Wandler den Geist des Sol und zog sich zurück.
    Ora’sol’guudo setzte sich auf. Halb betäubt lauschte er dem Wispern und Raunen, das die Luft erfüllte. »Götter!«, flüsterte er. Er griff nach dem Kristallsplitter und zog sich an einem der Wabensteine hoch. Verschiedene Auren berührten ihn, aber der Sol schirmte seine Mentalverbindung ab. Sein riesiger Wirtskörper wankte durch die Höhle und verschwand in einem schmalen Gang, der in seine Kristallkammer führte.
    (Wir sind Herrscher, keine Diener!) Der Daa’murenführer taumelte in die Kammer. Aus einer Nische hinter den sieben Steinen der Lun schimmerte ein großer tropfenförmiger Kristall. Ora’sol’guudos Blick heftete sich auf den glimmenden Stein.
    (Wir sind keine Diener! Wir sind Herrscher!), wiederholte er. Eine seiner Echsenklauen verschwand in einem Spalt neben dem Eingang. Zischend rutschte eine Metalltür aus der Wand und schloss sich hinter dem Sol.
    ***
    Am Kratersee
    Die Daa’muren hatten sich vom Körper des Wandlers im Zentrum des Kratersees zurückgezogen. In den Höhlen und Spalten des aufgeworfenen Ringgebirges warteten sie auf die Anweisungen ihrer Lun oder den Zuspruch ihrer Sil. Natürlich wünschte sich jeder eine Berührung des Sol. Aber vergebens.
    Es herrschte so etwas wie Chaos in der mentalen Kommunikation. Die Lun, die die einzelnen symbiotischen Einheiten führten, gaben keine klaren Auskünfte. Gerüchte machten die Runde. Vom Kampf gegen den Wandler war da die Rede. Oder von einem neuen Sol, der mit dem Wandler kooperierte.
    Est’sil’bowaan war beunruhigt. Wie sollte er seinen Leuten Mut machen? Das Projekt Daa’mur war nicht durchführbar ohne den Wandler: Ein neues Ziel war noch nicht beschlossen.
    Er stieg die geschwungene Basalttreppe zur Empore hinauf.
    Oben angekommen, beugte er sich über die Brüstung und schaute hinunter: Nichts war wie sonst in der Feste der Lun.
    Die Labors und Entwicklungskammern waren verlassen. Die dunklen Steinquader an dem heißen Quellsee blieben heute leer. Lun und Sil standen oder saßen im großen Rund des Auditoriums unter der mächtigen Steinkuppel. Sie versuchten die Daa’muren ihrer
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