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197 - Der Geist im Kristall

197 - Der Geist im Kristall

Titel: 197 - Der Geist im Kristall
Autoren: Mia Zorn
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Wesen!
    Ora’sol’guudo schaute sich um und lauschte. Er nahm die Auren der anderen Daa’muren wahr, die seine Gedanken aufmerksam verfolgten. Er nahm ihn wahr: den Wandler. Seine übermächtige Präsenz war deutlich spürbar. Sein Geist tastete sich durch die Gedanken Ora’sol’guudos.
    (Du wolltest nicht entdeckt werden!), sprach der Sol ihn an.
    (Du hast den Kontakt mit uns verweigert! Warum?) Er wusste, er würde keine Antwort erhalten. Sein silbergrüner Echsenkörper glitt auf einen der Sitzblöcke vor dem Basaltpult.
    Auf der Wandkonsole in Augenhöhe lag ein Quarzstein. Wie kleine Äste verzweigten sich seine Kanten nach oben. In seiner Mitte hing der spiralförmige Sichtkristall, durch den der Sol damals zum ersten Mal Loos’wan’hill gesehen hatte, das Schwarze Loch. Wie lange war das her? Äonen über Äonen!
    Es begann mit der Fol’oor-Plage. Die Fol’oors, ursprünglich ein Bakterienstamm, der einst in einem Meteoritenschwarm auf den Südpol Daa’murs stürzte, entwickelten sich im Laufe der Jahre zu einer Bio-Organisation von niedriger Intelligenz. Sie besiedelten die Landmassen von Daa’mur. Plötzlich drangen sie verstärkt in die Gebiete um die Oqualune ein, und störten den Lebensraum der Daa’muren. Sie raubten Seeswane und verschmutzten die Lava mit ihren Fäkalien.
    Sein Volk startete Strafaktionen gegen die Eindringlinge.
    Aber sie ließen sich nicht vertreiben. Einige Lan brachen zu den kälteren Polen auf, um die Ursache für das merkwürdige Verhalten der Fol’oors zu untersuchen. Ihr anschließender Bericht war niederschmetternd: Das Wachstum der Landmassen hatte sich im Laufe von wenigen Gestirnumkreisungen verdreifacht. Daa’mur erkaltete!
    Ora’sol’guudo selbst entwickelte den Sichtkristall, mit dem sie in das All blicken konnten. Die Sol und ihre Sil beobachteten das Doppelgestirn Mu’ran. Im Laufe der Zeit stellten sie fest, dass die Sonnen an Masse verloren. Sie erkalteten. Und mit ihnen Daa’mur.
    Erst viel später entdeckte Ora’sol’guudo durch das Okular den Grund für Mu’rans Erkalten: Ein Schwarzes Loch saugte die Materie der Sonnen ab.
    Zu diesem Zeitpunkt war die Planung zum Verlassen ihrer Heimat bereits in vollem Gange. Nach unzähligen Experimenten schafften es die Daa’muren, einen Gravitationsantrieb zu entwickeln und die Oqualune aus dem Lava-Ozean zu lösen, um sie ins All zu steuern. Die scheinbar leblosen Wandler wurden zu Raumarchen, die sein Volk in eine neue Heimat bringen sollten. Dieser Erfolg erstaunte die Erbauer am allermeisten; nie hatten sie damit gerechnet, eine solche Hochleistung in so kurzer Zeit zu vollbringen!
    Allerdings konnten die Daa’muren nur ihre ontologisch-mentale Substanz mitnehmen. Ihre Körper wären in den Raumschiffen ausgekühlt. So entwickelten sie kristalline Hüllen, in denen ihre Geistesinhalte die lange Reise überstehen konnten. Nun, eigentlich mussten sie sie nicht einmal entwickeln; die Kristalle wuchsen aus den Oqualunen.
    Um am Ende der Reise wieder einen Körper annehmen zu können, waren biologische Organisationen notwendig, die mit den Gehirnwellenmustern der Daa’muren kompatibel waren.
    Nur solche Planeten kamen also als Ziel in Frage.
    (Alles war genial durchdacht. Unser Plan war perfekt!) Irritiert spürte Ora’sol’guudo, wie sein Hauptherz wild gegen die Brust schlug. (Aber war es überhaupt unser Plan?) Sein Blick wanderte über die Wände der Höhle. Orange Steine, wabenförmig übereinander gesetzt, wechselten in unregelmäßigen Abständen ihre Farbe. Orange, grün, orange.
    Der Sol legte seinen Kopf in den Nacken und fixierte die Lichtquelle in der Decke: Aus einem langen Spalt ragten grüne Kristallzapfen. Ihr Licht flackerte unregelmäßig.
    (Waren wir nur Werkzeuge der Wandler?) Eine Ora’sol’guudo unbekannte Vibration durchlief seinen Körper.
    (Haben uns die Mächtigen nur benutzt, um Daa’mur zu verlassen? Waren unsere wissenschaftlichen Erfolge von ihnen gesteuert?)
    Eine Welle des Zorns durchlief seinen Schuppenkörper. (War alles nur eine Lüge…?)
    ***
    Die PARIS, in der Nähe des Ringgebirges Ein Vogelschwarm durchkreuzte den Himmel. Wie eine dunkle Woge bewegte er sich entlang des nördlichen Horizonts. Es waren Kolks. Sie hatten es eilig, nach Osten zu kommen. Fort aus dieser unwirtlichen Gegend, in der die Sonne unter einem Schleier aus Dunst verborgen blieb. Fort von dem Ringgebirge, dessen gezackte Umrisse in der Ferne aus dem Firmament ragten. Und fort von diesem
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