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1948 - An den Grenzen der Macht

Titel: 1948 - An den Grenzen der Macht
Autoren: Unbekannt
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zusammen.
    Da war eine Stimme in ihr, die sie nicht mehr losließ. Sie war nicht wirklich vorhanden, und Vincent gab sie ihr nicht ein. Nein, er versuchte nicht, sie suggestiv zu beeinflussen.
    Er wußte, daß es eine Schwächung ihrer Fähigkeit bedeutet hätte. Dennoch blieb die Stimme in ihrem Innern und meldete sich immer aufs neue.
    Es war ein Unfall. Ich wollte ihn nicht töten, aber es ließ sich nicht vermeiden.
    Außerdem war dieser Mann böse.
    „Lüge, Lüge!" schrie sie, so laut sie konnte.
    Längst wußte Tuyula, daß es Absicht gewesen war. Ihr terranischer Freund hatte nicht zulassen dürfen, daß der TLD durch Flake von Garrons Umtrieben erfuhr.
    Tuyula vertraute Vincent trotz dieses Vorfalls. Sie hoffte nach wie vor, daß sein Kontakt zu den Solmothen eine Änderung seines Bewußtseins bewirken würde. Doch dann mußte sie erkennen, daß er sie erneut getäuscht hatte.
    Naiv hatte er sie genannt, und das Mädchen forschte noch immer in ihrem Sprachverständnis nach einer genauen Erklärung für dieses Wort. Es fiel ihr kein passendes in der Heimatsprache ein, die Jülziish benutzten ein solches Wort nicht.
    Vermutlich bedeutete es ihre Jugend und die Tatsache, daß sie so wenig von der Welt und den Wesen wußte, die in ihr lebten.
    Eine verpfuschte Kindheit - das war ihre Vergangenheit. Die Gegenwart stellte sich ihr auch nicht besser dar. An die Zukunft wollte Tuyula lieber nicht denken.
    Ein Gedankenblitz entstand in ihrem Innern und rief ihr die erste Begegnung ins Gedächtnis zurück. Sie hatte Vincent nett gefunden, aber das war der bewußtlose Vincent gewesen, als er im selbstgeschaffenen Koma lag. Hätte sie damals geahnt, was ihr inzwischen zur Gewißheit geworden war ...
    Nein, sagte sie sich. Du wärest genauso mit ihm gegangen.
    Die Wahrheit bestand darin, daß Vincent ihre einzige Bezugsperson war, das einzige Wesen in ihrem Leben, dem sie vertraute. Vincent würde sie nie verlassen. Er verhielt sich ihr gegenüber wie ein Vater, manchmal gerecht oder ungerecht, manchmal freundlich oder abweisend. Ab und zu redete er Dinge, die sie verstand, dann wieder konfrontierte er sie mit Begriffen und Verhaltensweisen, denen gegenüber sie so hilflos war wie ein Neugeborenes.
    Aber er sprach mit ihr. Für ihn war sie wichtig, für ihn war sie nicht irgendein ... Ding, das Ärzte und Wissenschaftler für Experimente benutzen konnten.
    „Vincent Garron fragt nach dir", sagte eine freundliche Stimme in ihrer Nähe.
    Tuyula zuckte zusammen und suchte den Sprecher in dem Gewirr der Leitungen. Da war niemand, und sie begriff, daß es sich um ein gezielt projiziertes Akustikfeld handelte.
    „Na und?" zirpte sie. „Was interessiert es mich?"
    „Das solltest du nicht sagen", erklärte die Stimme. Offenbar war es ein Syntron.
    „Vincent spricht immer sehr freundlich von dir, kleine Blue."
    „Er kann mir gestohlen bleiben." Tuyula gab einen hohen Laut von sich, das gatasische Äquivalent eines Schluchzens.
    „Er sucht dich. Gewiß braucht er dich."
    „Natürlich. Er braucht mich ständig, oder?"
    . „Du findest ihn in der Zentrale", sagte der Syntron abschließend.
    Tuyula zog die kurzen Beine noch enger an den Körper und schlang die langen, kräftigen Arme um sie. Halb auf der Seite lag sie da, den Kopf gegen das Metall des Schachtes gedrückt.
    Es kühlte angenehm, und sie stellte verblüfft fest, daß sie einen heißen Kopf hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben.
     
    *
     
    Vincent Garron tauchte unvermittelt aus der Hyperraumsenke auf, in die er sich für kurze Zeit zurückgezogen hatte.
    „Farbe!" schrie er und schlug auf Endering Profest ein. Der athletische Kapitän der ST.
    AMARINA hielt den Schlägen des kleinen, zerbrechlich wirkenden Terraners mühelos stand. „Warum quälen sie mich mit soviel Farbe?"
    Der Mutant meinte offensichtlich die Solmothen. Sie schienen das einzige zu sein, das nicht in Schwarzweiß existierte. Und das hatten mittlerweile auch die anderen Menschen an Bord des Schiffes mitbekommen.
    Der Eigner des 100-Meter-Kugelraumers schnippte mit den Fingern und trat zwei Schritte vor. Er tat etwas, was die übrigen Anwesenden nie gewagt hätten. Er legte Garron eine Hand auf die Schulter.
    „Es ist vorbei, Vince", sagte Jankinnen und warf einen kurzen Blick hinüber zu den Anzeigen der Kontrollterminals. „Wir haben uns zwar erst vierhundert Lichtjahre von Arkon entfernt, aber das reicht vorerst. Hier, im Halo der Milchstraße, findet uns so schnell niemand. Und die
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