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193 - Kurs in den Untergang

193 - Kurs in den Untergang

Titel: 193 - Kurs in den Untergang
Autoren: Ronald M. Hahn
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Leben: fressen und gefressen werden. Seitdem arbeitete sie mal hier, mal da. Wo sie gerade gebraucht wurde. An Deck, unter Deck.
    Küchendienst, Saubermachen, Fische ausnehmen, Gräten über Bord kippen. Sie sprang überall ein, schlief hier und da, wo gerade Platz war und man sie nicht belästigte. Es gab inzwischen zweitausend leere Kojen an Bord. Dank Joe-Bob war sie gemeldet, sodass niemand sie davonjagen konnte. Und sie hatte ein Recht auf mindestens zwei Mahlzeiten am Tag.
    Das Leben war hart. Manchmal verabscheute sie es.
    »Pass auf, du…« Ein Schlag traf Zarahs Hinterkopf. Ehe sie begriff, wer sie angerempelt hatte, lag sie der Länge nach im Dreck.
    Karmesinrote Zorneswolken blendeten sie. Erst als der Mann vorbeiging, sah sie seine Schulterklappen: Lieutenant.
    Groß, blond, lockiges Haar. Er ging zum Herrenhaus, klopfte an.
    Zarah lag auf dem metallenen Gassenboden. Sie schnappte nach Luft. Die Tür des Herrenhauses ging auf. Little Frank lugte ins Dunkel hinaus, sah den Besucher und verbeugte sich.
    »Platz da, Kretin.« Der Lieutenant schubste Little Frank zur Seite, trat ein und warf die Tür hinter sich zu.
    Zarah brauchte eine Minute, bis ihr Herz wieder normal schlug. Ihre heiße Wut wich einer kalten. Sie empfand zum ersten Mal im Leben Mordlust.
    Was bildete dieser Mann sich ein? Für wen hielt er sich.
    Wie konnte er sie so einfach niederschlagen? Sie war doch keine Laus! War die Welt sein Privatbesitz?
    Zarah stand auf. Sie stand kurz vorm Platzen. Eine Minute später pochte sie an die Tür, durch die der Lieutenant gegangen war.
    Little Frank öffnete. Er war wie viele andere – auch Zarah – eine Mutation. Andere hatte es übler getroffen, denn er war nur klein – etwa einen halben Meter groß.
    Zarah kniete sich hin, um ihm die Würde zu geben, die ihm gebührte.
    »Was willst du?« Little Frank war ein Produkt vieler Rassen, doch die meisten seiner Ahnen mussten Maori gewesen sein: Jemand hatte ihn auf einer Insel gesehen und als Maskottchen mitgebracht.
    »Lass mich rein.« Zarah deutete auf die hinter dem kleinen Mann sichtbare Treppe. »Ich muss jemandem die Fresse polieren…«
    »Oh!« Little Frank kicherte und machte Platz. Zarah schlüpfte hinein.
    »Was hast du vor?« Franks braune Augen blitzten.
    »Ist Neola da?«
    Nicken. »Im Salon.«
    »Ist ihre Kammer offen?«
    »Sicher!« Frank begutachtete sie bewundernd. Er mochte große Menschen; er wäre selbst gern einer gewesen.
    »Sag ihr, ich bin dort, aber so, dass es niemand hört.« Zarah eilte durch den Korridor und begab sich in Neolas Kammer.
    Neola war eine schlanke Frodite mit roten Locken, fünf Jahre älter als sie. Nach Joe-Bobs Tod hatte sie sich Zarahs angenommen. Ihre Lebensgeschichte war auch nicht ohne.
    Zarah hatte sich gewaschen. Als Neola eintrat, stand sie nackt in einem Zuber. »Huh, eine nackte Frodite!«
    »Hallo…« Sie umarmten und küssten sich. Dann stieg Zarah aus dem Zuber und trocknete sich ab.
    »Was willst du hier?«, fragte Neola.
    Zarah erklärte es ihr.
    »Bist du wahnsinnig?« Neolas dunkle Augen sprühten Funken. Sie war schwarz. »Der Mann ist ein Offizier! Leute wie er bestimmen über Leben und Tod. Wenn du dich gegen ihn auflehnst… Er lässt dich über Bord werfen. Er hat schon mehr als einen über Bord werfen lassen.«
    »Weiß der Captain davon?«
    »Bist du verrückt? Natürlich nicht. Wer sollte es ihm auch sagen? Ich jedenfalls nicht. Dazu ist mir mein Leben zu viel wert.« Neola seufzte. »Er würde jemandem wie uns sicher nicht mal glauben. Wir sind doch nur geduldet.« Sie lachte.
    »Um das Blut aufzufrischen!«
    »Ich lasse mich nicht treten«, sagte Zarah. »Und damit er lernt, wie man sich fühlt, wenn man getreten wird, werde ich es ihm zeigen. Ich brauche ein Kleid, damit ich nicht auffalle, wenn ich durch das Haus schleiche.«
    Das Kleid, das Neola ihr anbot, war so fadenscheinig, dass man fast alles sah.
    »Du bist wahnsinnig.« Neola schüttelte den Kopf. »Aber du weißt sicher, was du tust.«
    Zarah nickte dankbar. »Krieg raus, wo er ist, ja? Und markiere die Tür für mich.«
    »Gut.« Neola zwinkerte ihr zu. »Es ist dein Hals.« Sie ging zur Tür, drehte sich aber noch mal um. »Falls wir uns nicht mehr wieder sehen: Ich hab dich immer gemocht. Wäre ich als Mann auf die Welt gekommen, hätte ich dir vielleicht den Hof gemacht.«
    »Danke.«
    »Noch was«, sagte Neola. »Was ist, wenn sie dich in meinen Klamotten erwischen?«
    »Dann bin ich natürlich hier
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