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1912 - Der Zylinder-Mann

Titel: 1912 - Der Zylinder-Mann
Autoren: Unbekannt
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eine wirksame Systemverteidigung aufbauen, geschieht das auch zu eurem Schutz. Bis es allerdings soweit ist, müssen wir sehr, sehr vorsichtig sein."
    Der König der Thorrimer nickte. Er dachte nach.
    Es dauerte fast eine Minute, bis er antwortete: „Ich bin einverstanden, Stendal Navajo. Es soll so geschehen, wie du es gesagt hast."
     
    *
     
    Als Jedder Colusha an diesem Tag nach Hause kam, überraschte ihn der Duft aus der Küche. Täuschte er sich, oder roch es im Haus nach Puterbraten? „Ich koche heute selbst und so gut wie ohne Servo-Unterstützung", kündigte Darne an, nachdem sie ihn mit einem Kuß begrüßt hatte. „Unser letztes Frischfleisch habe ich aus der Truhe genommen. Aber jetzt erzähl mal! Wie war dein Tag? Wie war es beim König?"
    „Anstrengend", sagte Jedder, und zog die Schuhe aus. „Wirklich anstrengend. Navajo hat mit ihm verhandelt und gewonnen. Corn Markee ist aber auch ein sehr einsichtiger Verhandlungspartner."
    Darne war kurz in der Küche verschwunden.
    Jetzt kam sie zurück und fragte: „Könntest du mich nicht einmal in seinen Palast mitnehmen? Ich meine, ich habe noch nie einen leibhaftigen König kennengelernt."
    „Die Gelegenheit wird sich sicher irgendwann ergeben", meinte er. „Oh, Kleiner, ich bin ja so stolz auf dich."
    Fast erdrückte sie ihn. „Kannst du mir noch einmal vergeben, daß ich an dir zu zweifeln gewagt habe? Keine meiner Bekannten hat einen so berühmten Mann. Was glaubst du, wie neidisch sie alle sind."
    „Sie ... alle?" Jedder wagte nicht daran zu denken, was Dame wirklich erzählt hatte. „Natürlich, ich soll dir auch von allen Grüße ausrichten. Es geschieht ja nicht alle Tage, daß mein Mann zum Botschafter ernannt wird."
    „Ich bin kein Botschafter", stöhnte er, aber das hörte sie nicht. Sie war schon wieder in der Küche und sah nach dem Braten.
    Offenbar briet sie ihn tatsächlich manuell.
    Hätte sie es der Robotik überlassen, dann hätte er ein besseres Gefühl gehabt ...
    Jetzt kamen die Kinder herunter und mit ihnen Chessy. Der Dackel landete auf Jedders Schoß, leckte ihm zur Begrüßung das halbe Gesicht ab und zwängte sich anschließend zwischen sein rechtes Bein und die Armlehne seines Sessels. China und Earth waren ausgelassen. Sie hatten ihren Spaß mit den Thorrimer-Kindern gehabt und fragten, wann sie nun wieder zu Mastos und seinen Kumpanen hinüberdürften. „Meinetwegen morgen", sagte Jedder. „Aber fragt vorsichtshalber eure Mutter,"
    „Aber immer doch" tönte Darne. „Ich bin froh, wenn ihr in so guter Gesellschaft seid.
    Aber verschmutzt euch nicht. Immerhin seid ihr jetzt Diplomatenkinder."
    Diplomatenkinder!
    Spätestens jetzt wußte Jedder, weshalb Darne so überfreundlich war. Sie wähnte sich als Diplomatengattin und sah sich schon auf dem Parkett der großen Welt, bei rauschenden Empfängen. Dabei vergaß sie ganz, daß ihr Mann lediglich Thorrimer-Beauftragter für Stendal Navajo war - auch wenn er die in Zortengaam eingerichtete diplomatische Mission Alashans quasi leitete.
    Kurz überlegte er, ob er sie darauf hinweisen oder ihre Träume träumen lassen sollte. Solange sie es tat, hatte er wenigstens zu Hause seine Ruhe und ein angenehmes Leben.
    Sie setzte sich auf die Sessellehne und streichelte dem Dackel den Kopf. Sie lobte ihn sogar dafür, so brav auf dem Sessel zu liegen. Chessy blickte sie aus ihren treuen Dackelaugen an, offensichtlich völlig verwundert.
    Darne plauderte mit Jedder wie schon lange nicht mehr. Erst jetzt fiel ihm auf, daß sie unter der Schürze ihr bestes Kleid trug, und auch ihr Parfüm war nicht von schlechten Eltern. Wann hatte sie ihn zuletzt so umgarnt? Jedder schwante Schlimmes für die Nacht. Und das nur, weil er das Vertrauen des Mannes genoß, den sie noch vor zwei Wochen am liebsten zum Teufel gewünscht hätte.
    Es begann anders aus der Küche zu riechen, irgendwie brenzlig ... „Dame, willst du nicht nach dem Braten sehen?" fragte er und befreite sich von ihren Armen, die ihn in flitterwöchentlicher Liebe zu ersticken drohten. „Oje!" rief sie aus und verschwand in der Küche.
    Es stank noch schlimmer, als sie den Backofen öffnete, und als sie zurückkam und im Kücheneingang stehenblieb, hatte sie Ruß im Gesicht. „Das war unser letztes Stück Frischfleisch, Jedder", stellte sie mit Erschütterung in der Stimme fest. „Du hattest ja auch nichts anderes zu tun, als mit mir zu flirten und mich von der Arbeit abzuhalten. Jetzt sieh zu, was du heute Abend zu essen
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