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188 - Der lebende Nebel

188 - Der lebende Nebel

Titel: 188 - Der lebende Nebel
Autoren: Ronald M. Hahn
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hatte man irgendwann besiedelt. Nach der Eiszeit waren auch die Hydriten hier oben aktiv gewesen. Ihre Forschungskolonien existierten jedoch nicht mehr: Obwohl sie amphibisch lebten, war das Wasser ihr primäres Element.
    Was Quart’ol anging, so wusste er im Moment nicht genau, wie er sich entscheiden würde, wenn man ihn dazu zwang. Er fühlte sich auch an Land sehr wohl. Vermutlich lag es daran, dass er einst mentaler Bestandteil des Menschen Matthew Drax gewesen war, der ihm einige menschliche Marotten vererbt hatte. Zum Beispiel flapsige Redensarten.
    »Ich glaub, mich knutscht ein Elch!«
    »Wie? Was?« Die Marsianerin Clarice Braxton, die sich nach dem Morgenbad ebenfalls auf dem »Rücken« des Bootes, das einer Transportqualle recht ähnlich war, in der Sonne aalte, hob verblüfft den Kopf.
    Über dem Exoskelett, das sie vor der terrestrischen Schwerkraft schützte, trug sie einen engen Schutzanzug. Ihr Kollege Vogler, der lieber abends ins Wasser ging, um sich den Schweiß vom Leib zu spülen, lag neben Quart’ol auf dem Bauch und beobachtete die Insel Augustus, ihr bisheriges irdisches Zuhause, durch ein Fernglas.
    »Hast du’s auch gesehen, Vogler?«, fragte Quart’ol.
    Vogler nickte. »Ja. Da hat was geblitzt.« Er schnalzte mit der Zunge. »Zwischen den Bäumen, da drüben.«
    Er streckte einen Arm aus, und Clarice setzte sich aufrecht hin.
    Eigentlich hatte sie sich den Strand ansehen wollen, dem Quart’ols und Voglers Aufmerksamkeit galt, doch in der Gegenrichtung gab es auch etwas Interessantes zu bestaunen: Über einer der flachen Nachbarinseln, die sie passiert hatten, schwebte in einer alles andere als elegant wirkenden Schräglage ein Luftschiff! Unter dem dicken blauroten Ballon hing – an Tauen befestigt und von einem Gestänge umgeben – eine mit Bullaugen versehene Gondel, deren Haut das Sonnenlicht metallisch reflektierte.
    Ein vertrauter Anblick: Zeppeline waren auf dem Mars wegen der geringeren Schwerkraft das bevorzugte Transportmittel. Dass es sie auch auf Erden wieder gab, war zweifellos ein Anzeichen für technischen Fortschritt. Doch wer steuerte dieses Luftschiff – und was wollte es hier?
    »Was um alles in der Welt…?«, hörte sie Quart’ol plötzlich keuchen.
    Clarice schaute ihn an. Er hatte das Luftschiff nun auch gesichtet, schien aber im Gegensatz zu Clarice nichts Positives darin zu sehen.
    Auch Vogler fuhr herum. Er machte große Augen. Das, was er auf Augustus Island erspäht hatte, schien ihn nicht mehr zu interessieren.
    »Grund zur Beunruhigung?« Clarices Stimme klang furchtsam, obwohl sie angenommen hatte, nach dem Abenteuer in Gilam’esh’gad [1] könne sie nichts mehr schrecken.
    Quart’ol schützte seine Augen mit der flachen Hand vor der Sonne. »Technischer Fortschritt«, seufzte er, »wird von den Menschen meist militärisch genutzt. Außerdem frage ich mich, welche Art von Technik das ist, die trotz des weltweiten EMP noch funktioniert.« Er musterte Vogler, der den Ballon nun durchs Fernglas beobachtete. »Kannst du etwas erkennen?«
    »Ja, da am Fenster… Zwei Männer, die miteinander ringen…«
    Bevor er mehr sagen konnte, sah Clarice mit bloßem Auge, dass das Gefährt in Schwierigkeiten war: Es verlor rapide an Höhe und sank auf die Insel zu, über der es sich befand. Ein silberner Nebel schoss von der ihnen abgewandten Seite über den höchsten Punkt des Ballons, umwaberte ihn kurz, ließ sich auf ihm nieder und bildete einen Ausläufer, der wie ein Arm durch ein offenes Bullauge in die Gondel eindrang. Clarice schnappte nach Luft: In Fensterrahmen tauchte eine dunkel behaarte Gestalt auf, zog sich hoch und stürzte sich in die Tiefe. Aus der Ferne sah es aus, als hätte die Gestalt vier Beine.
    »Was ist das?«, fragte Clarice erschreckt.
    Der Springer klatschte ins Wasser.
    »Keine Ahnung«, sagte Vogler. »Ging zu schnell. Ein Mensch war es jedenfalls nicht.«
    Clarice schrie auf, als die Rettungsqualle plötzlich auf Grund lief und sie das Gleichgewicht verlor.
    Quart’ol ging über Bord.
    Es war typisch für Vogler, dass er jede Verwünschung unterdrückte. Stattdessen steckte er das Fernglas in eine Tasche seines Anzugs und wollte schon ins Wasser springen, um zu helfen, als ihm bewusst wurde, dass Wasser Quart’ols ureigenstes Element war. Schon richtete sich der Hydrit mit einem ärgerlichen Klacken auf.
    »Von hier aus geht’s zu Fuß weiter«, schnaubte er dann in der Menschensprache, die er dank Matthew Drax wie kein anderer
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