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186 - Wächter der Stille

186 - Wächter der Stille

Titel: 186 - Wächter der Stille
Autoren: Stephanie Seidel
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unterbrach?«, versuchte sie es weiter.
    »Zwölf«, knurrte Vogler, und schon war die Zeit abgelaufen.
    Im nächsten Moment ruckte die Transportqualle hart nach links, dann nach rechts. Clarice konnte sehen, wie der Waal sich zu lösen versuchte. Vogler beobachtete das auch. Reglos!
    Clarice rüttelte an seiner Schulter.
    »Die Tasten!«, rief sie. »Los, schnell!«
    Der Quallenboden begann zu vibrieren. Irgendwo im bionetischen Antriebssystem schaltete etwas auf Umkehrschub, für wenige Sekunden nur. Qualle und Waal trieben auseinander. Zwischen ihnen entstand ein Sog, stark genug, um den nach innen gedrückten Quallenbug in seine Ursprungsform zurückschnellen zu lassen.
    Meter um Meter vernarbter Haut zogen bildfüllend an der durchsichtigen Haut der Qualle vorbei. Sechzehn, insgesamt.
    Dann nahte die riesige, quer stehende Schwanzflosse. Sie hob sich. Immer weiter.
    »Er wird uns erschlagen!« Clarice war entsetzt.
    Vogler entschloss sich zu einer Verzweiflungstat. »Wir tauchen! Ich versuche den Antrieb zu aktivieren!« Fieberhaft glitten seine Finger über die Steuerung. Tatsächlich gelang es ihm auch, die Transportqualle aus ihrer Parkposition zu holen, aber kaum sank der Bug nach unten, da schrie Clarice eine Warnung heraus.
    »Anhalten! Sieh nur, dort!« Sie wies hinaus. Vogler hatte bei seiner Suche nach der Starttaste ungewollt die Bugscheinwerfer eingeschaltet, und nun – da der weiße Waal nicht mehr die Sicht blockierte – zeigte sich, warum Quart’ol den Rückwärtsschub der Qualle auf einige Sekunden begrenzt hatte.
    Direkt unter ihrem Kiel schwebte ein zweiter Waal.
    Einer von vielen.
    »Bei Phobos! Wir sind mitten in eine Herde gefahren!«, sagte Vogler erschrocken.
    Clarice schaute nach draußen, versuchte angestrengt, etwas zu erkennen. Das Pazifikwasser war dunkel und trübe; im Scheinwerferlicht tanzten Zillionen winziger Lebewesen herum, und man musste gut hinsehen, um die riesigen Körper dahinter überhaupt ausfindig zu machen. Clarice zählte elf Tiere. Alle, bis auf ein vergleichsweise winziges Neugeborenes, waren größer als der weiße Waal.
    »Da ist Quart’ol!«, sagte Vogler plötzlich.
    Clarice folgte seinem Fingerzeig und fand den Hydriten am Rande des Scheinwerferlichts. Er schwebte auf Kopfhöhe neben einer Waalkuh, vermutlich der Mutter des Neugeborenen, das gerade unbemerkt das Weite suchte.
    Quart’ol schien mit ihr zu kommunizieren; seine Hand lag auf ihrer Haut, sein Kamm war aufgerichtet wie ein grüner Fächer.
    Alles sah so friedlich aus. Urplötzlich aber warf er sich herum, schwamm aus Leibeskräften auf die Transportqualle zu. Der Waal, der sie gerammt hatte, kreuzte träge durch die Herde, versperrte ihm den Weg. Quart’ol zögerte nicht lange und zog sich an seiner Flanke hoch.
    Es war ein seltsames Bild, das da aus der Dunkelheit kam.
    Quart’ol hing an einem weißen Pottwaal, trieb mit ihm in den Lichtkegel – und winkte!
    Die Marsianer fanden das eigenartig, wollten aber nicht unhöflich sein. Also winkten sie zurück. Warum Quart’ol daraufhin die Augen verdrehte und sich an die Stirn schlug, konnten sie sich nicht erklären. Auch nicht, weshalb er immer wieder Richtung Qualle zeigte und dann mit der flachen Hand vor seiner Kehle herum wackelte.
    »Was denkst du: Ist er verrückt geworden?«, fragte Vogler beunruhigt.
    »Nein.« Clarice schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er will uns etwas sagen. Aber was?«
    Nachdenklich betrachtete sie den Hydriten, der immer verzweifelter gestikulierte, je näher er kam. Quart’ol hatte den weißen Waal längst losgelassen, trotzdem folgte ihm das Tier.
    Auch die anderen interessierten sich auf einmal für ihn.
    Oder doch eher für die Qualle?
    Clarice bemerkte, dass das Junge fehlte. Eine Ahnung stieg in ihr auf. Die Marsianerin beugte sich über die Steuerung, um an den unteren Rand der Panoramadurchsicht zu gelangen. Und da war das Jungtier! Es hing senkrecht im Wasser, unter der Transportqualle. Sein langes schmales Babymaul näherte sich neugierig den Scheinwerfern.
    »Mach das Licht aus, Vogler!«, sagte Clarice gehetzt.
    »Was?«
    »Die Scheinwerfer! Mach sie aus! Sofort!«
    Das war es also, was Quart’ol ihnen zu verstehen geben wollte! Der neugierige kleine Waal wurde vom Licht angezogen – und wenn die Herde die Qualle als Gefahr einstufte, würde sie angreifen, um das Jungtier zu schützen!
    »Verdammt, worauf wartest du, Vogler?«
    »Ich… ich weiß nicht mehr, welche…« Der Marsianer klang
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