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1852 - Die Galornin

Titel: 1852 - Die Galornin
Autoren: Unbekannt
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„Und was war das in der Mitte des Tisches?"
    „Der Weltraum", gab Seda zurück, wieder ruhiger. Sie atmete tief ein, die Nasenflügel flatterten. „Du hast in den Weltraum hineingesehen, so, wie es unsere Navigatoren tun. Vielleicht wirst du später einmal eine Raumfahrerin sein, dann wirst du wissen, daß alles, was dich erschreckt hat, nichts anderes ist als die tiefe Natur des lebenden Universums. Heute war es dazu viel zu früh. Du wirst noch vieles zu lernen haben, um diese Erfahrung einschätzen zu können - und zu würdigen. Sie kam für dich viel zu früh, weil wir nicht ahnten, daß du den Kode jetzt schon enträtseln würdest. Du lernst sehr schnell, Kaif, vielleicht zu schnell."
    „Man kann nie schnell genug lernen", sagte die Schülerin.
    „Es gibt zweierlei Lernen", konterte Seda. „Einmal Formeln und Sätze und einmal für sein Leben. Und ich fürchte, daß dieses Verhältnis bei dir schrecklich unausgeglichen ist, Kaif. Du willst alles auf einmal wissen, und deine Gefühle zwingen dich oft, nur an dich zu denken und zu hassen. Daran wird sich nichts ändern, bis du dem Drachen gegenüberstehen wirst ... Falls es je dazu kommt, Kaif. Ich muß gestehen, ich habe Angst um dich."
    Das Galornenmädchen erhob sich.
    „Kannst du mir einen Grund dafür sagen, warum wir von euch Erwachsenen lernen müssen und nicht umgekehrt ihr von uns?" fragte sie.
    Weil wir wissen, was gut ist und was schlecht, durchfuhr es die Erzieherin. Weil wir die Geschichte kennen und das Leben. Doch das sagte sie nicht. Kaif hätte es nicht begriffen.
    „Du wirst es herausfinden", meinte sie nur.
    Dann gab sie dem Mädchen die Strafarbeiten dafür auf, daß sie sich Tari Dnuurgs, einer Idiotin, bedient hatte, um ihren Rivalen daran zu hindern, ihr den Erfolg zu rauben.
    „Und jetzt darfst du gehen", sagte sie zur Verabschiedung des Kindes. „In Frieden und Freundschaft."
    Dies war die gängige Formel in der Stadt der Kinder, sie galt zwischen Erziehern und Erziehungsbefohlenen.
    Kaif Chiriatha erwiderte sie nicht.
    Als sie ging, wirbelte ein kleiner Sturm durch den Dschungel, der in Wirklichkeit ein sechs mal sechs Meter großer und zwei Meter hoher Raum war, aus stabilem Kunststoff gebaut. Aber es war, als rauschte ein Orkan von einem Ende der Welt zum anderen vorbei.
    Was für ein Kind! dachte Seda Golaer frierend und fragte sich im gleichen Moment, ob „Kind" für Kaif Chiriatha tatsächlich noch das passende Wort war.
    Sie alle hier in der Stadt der Kinder waren kleine Monster, oft genug wahre Bestien.
    Aber auch die schlimmsten, mit denen Seda je zu tun gehabt hatte, hatten sie nie so angesehen, waren nie so kalt und - vor allem - nie so intelligent gewesen wie Kaif Chiriatha.
    Der Drache, dachte die Erzieherin, als Kaif verschwunden war und sich ihre Umgebung beruhigte und allmählich wieder harmonisierte, wird sie fressen. Er wird nichts von ihr übriglassen, wenn es einmal soweit ist.
    Unwillkürlich ging sie zum einzigen Fenster des Arbeitsraums, das zum Zentrum der Stadt der Kinder hin zeigte. Diese völlig eigenständige Stadt am nördlichen Rand der wirklichen, einzigen großen Stadt Helter Baakens, Baaken Bauu mit seinen knapp 23 Millionen Einwohnern, erstreckte sich bis weit über den Horizont.
    Hier lebten in relativ eng beieinanderstehenden Häusern rund eine viertel Million Kinder zwischen zwanzig und fünfzig Jahren, zusammen mit ihren Betreuern.
    Die Häuser waren wie üblich durch viele geplattete Gehwege miteinander verbunden und ebenso blau wie die Haut ihrer Bewohner. Darunter erstreckten sich die gewaltigen technischen Anlagen, die dem praktischen Training der Galornenkinder dienten, wo sie ihre erschreckende Aggressivität abreagieren und das in die Realität umsetzen konnten und sollten, was sie während der täglichen Schulungsstungen an Theoretischem lernten.
    Die Stadt der Kinder war in hundert große Bezirke untergliedert. In jedem dieser Bezirke gab es eigene Schulen und separate unterirdische Trainingsplätze.
    Sedas Bezirk, den sie seit dreizehn Jahren leitete und dem zweihundert Erzieher und Erzieherinnen angehörten, bei rund 2500 Kindern, lag am westlichen Rand.
    Im Norden ging während ihrer Überlegungen die Sonne unter, und je dunkler es wurde, desto heller wurde das orangefarbene Leuchten genau dort, wo die Mitte der Kinderstadt war.
    Und der Schacht des Drachen!
    Seda Golaer wandte sich mit Schaudern ab und verließ den Arbeitsraum. Sie hoffte, im Kreis ihrer Kollegen Ablenkung zu
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