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1852 - Die Galornin

Titel: 1852 - Die Galornin
Autoren: Unbekannt
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Gewächse, aber längst nicht so viele wie in den Wohnhäusern.
    Der Boden, das wurde ihr nun bewußt, schien zu flüstern. Er bestand aus golden schimmernden Platten, und mehrere Stimmen schienen gleichzeitig auf sie einzudringen. Je mehr sie sich aber darauf zu konzentrieren versuchte, desto mehr verschwamm alles und wurde zu einem bleibenden, unentzifferbaren geistigen Rauschen.
    „Sieh hierhin!" sagte der Erzieher und zeigte auf das Zentrum des Tisches.
    Dort öffnete sich ein ebenfalls kreisrunder Ausschnitt, den sie im ersten Moment überhaupt nicht sehen konnte.
    Dann erst erschien ihr die etwa dreifach kopfgroße Öffnung als etwas unsagbar Dunkles, Wesenloses, furchtbar unendlich Entferntes, das aus seiner grauenvollen Leere heraus gleichsam bereits wieder lebte, aus der Schwärze graue Tentakel ausbildete und sie zuckend in ihre Richtung hin schickte.
    „Soll das meine Belohnung sein?" schrie Kaif und riß sich von dem Erzieher los. „Ihr betrügt uns! Ihr Erwachsenen betrügt uns alle!"
    Sie lief fort, egal wohin. Nur weg von diesem Ort der grenzenlosen Enttäuschung!
    Die Frustration war riesengroß, und sie wurde zu Haß, zu immer mehr Haß, zu Aggressionen gegen alles, was sie zu betrügen versuchte und daran hinderte, ihr Leben so zu leben, wie sie es wollte.
    Die Erzieher waren schuld, an allem. Sie unterdrückten sie, sie stahlen den Kindern das wahre Leben.
    Es gab eigentlich nur eine Lösung des Problems. Kaif dachte daran, ohne zu erschrecken.
     
    *
     
    Seda Golaer empfing Kaif allein in ihrem Arbeitsraum im Obergeschoß des doppelstöckigen Schulhauses. Das Zimmer war eines von fünfzehn auf dieser Ebene. Von den vierzehn anderen waren zehn ausschließlich Wohnräume der Erzieher, auch Seda bewohnte in ihren dienstfreien Stunden eines von ihnen.
    Vier Zimmer standen den Kollegen und Kolleginnen für ihre Arbeiten oder für Versammlungen zur Verfügung.
    Seda als Leiterin der Schule genoß als einzige das Privileg eines eigenen Arbeitsraums, den sie ganz für sich allein nutzen konnte.
    Unten gab es nur zwei große Schulungsräume, durch den weißen Korridor getrennt, von dessen Ende der in sanftes Licht getauchte Antigravschacht heraufführte.
    „Setz dich, bitte", empfing Seda das Mädchen.
    Sie deutete auf eine Art Hängematte aus grünem Satoyyah-Bast, die in einer Nische gespannt war, mitten in einem Dickicht aus farbigen Büschen und Stämmen von Bäumen, die in einen unerahnbaren Himmel zu wachsen schienen. In einer ebensolchen Nische saß die Erzieherin selbst. Auf einem aus dünnen Ästen geflochtenen Tisch neben ihr lagen Speicherkristalle und bedruckte weiße Blätter. Irgendwie schienen sie nicht in den Dschungel zu passen, der wie von einer nicht sichtbaren Sonne erhellt wirkte. Schatten von Deckenpflanzen wanderten langsam über den von dickem Moos und niedrigen Gräsern bedeckten Boden.
    Wer wollte, konnte dies alles als Illusion bezeichnen, aber dieser Jemand hätte schon einer sein müssen, der nichts von der Wohnkultur der Galornen verstand.
    Je länger ein Galorne in einer bestimmten häuslichen Umgebung lebte, um so mehr gestaltete er sie durch seine Ausstrahlung. Er formte sie so, wie es seinen geheimen Wünschen, seiner Natur, seinen Vorlieben entsprach. Die Umgebung konnte alles über ihn verraten. Seda Golaer liebte die Wälder und Wildnisse ihres Planeten, die unberührtesten Flecken von Helter Baaken.
    In ihrer „Welt", die nach allen Richtungen weit über die realen Maße des Zimmers hinauszureichen schien, war noch nicht alles vollkommen. Ihr Vorgänger, dessen Nachfolge sie vor dreizehn Jahren angetreten hatte, war ein Galorne gewesen, der weiten weißen Strand und die Seen geliebt hatte, die das Land mosaikartig durchzogen, wobei es keine großflächigen Ozeane und scharf voneinander getrennte Kontinente gab. Manchmal war zwischen den Lauten des Waldes noch das Rauschen einer Brandung zu hören, und im löchrigen „Himmel" öffnete sich das Blätterdach in einer stürmischen Brise.
    In ein oder zwei weiteren Jahren würde es das nicht mehr geben. Seda Golaers „Welt" würde dann komplett sein, bis irgendwann ihr eigener Nachfolger oder die Nachfolgerin kam und damit begann, sich seine persönliche Umgebung ebenfalls nach seinen Wünschen ganz neu zu schaffen.
    Es war ein mehr oder weniger unbewußter Prozeß. Jeder Galorne atmete seine ganz persönliche Aura aus. Die Prägung der ureigenen Umwelt kam ganz von selbst.
    Sedas Wohnraum war bereits perfekt. Beide
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