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1850 - Traumtod

Titel: 1850 - Traumtod
Autoren: Unbekannt
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nicht mit Armen und Beinen um sich schlagen und Lester die Haare ausreißen und ihn kratzen. Aber sie tat es, und das hielt ihn von der letzten Konsequenz ab.
    Er ließ von ihr ab und warf sich schluchzend auf seine Seite des Bettes.
    „Armer Lester", sagte sie bedauernd.
    Aus den Augenwinkeln sah sie Kim in der Schlafzimmertür stehen. Als sie den Kopf in Richtung ihrer Tochter drehte, lief sie wie eine ertappte Sünderin davon. Tara schenkte dem keine Beachtung.
    „Ich bin so schwach, so schwach ...", wimmerte Lester.
    „Ich werde dir helfen, Liebling", versprach sie. Sie meinte es ernst. In Gedanken fügte sie hinzu: Aber ich werde nicht mit dir gehen, Lester, denn ich möchte auch die nächste Lektion des Philosophen nicht missen.
    Ich möchte sie alle empfangen.
    Zwei Tage später sagte Lester zu ihr: „Vergiß, was in der Flimmernacht geschehen ist! Ich habe es mir anders überlegt. Wehe, du legst Hand an mich!"
    „Was ist passiert, Lester?"
    „Ich habe einem Bürokollegen Sterbehilfe gegeben", gestand er zitternd. „Er hat mich so inständig darum gebeten, daß ich ihm das nicht abschlagen konnte. Er wünschte sich so sehr zu sterben, war aber zu schwach, sich selbst zu helfen. Ich dachte, ich besäße die Kraft und den Glauben dafür. Es war als Generalprobe für uns gedacht, Tara. Er gab mir den Strahler und schob sich den Lauf selbst in den Mund. Ich brauchte nur abzudrücken. Im selben Moment als ich es tat, übergab er sich ... Mir ist noch immer schlecht von seinem Anblick. Ich wußte nicht, daß Sterben so häßlich sein kann. Ich möchte nicht, daß wir uns das antun."
    „Natürlich nicht, Lester. Ich will auch gar nicht vorzeitig sterben. Ich möchte jede Lektion des Philosophen in vollen Zügen genießen."
     
    *
     
    Sie besuchten gemeinsam die Versammlung des Bürgerhilfekomitees. Und dort erfuhren sie, daß es sehr vielen so ähnlich wie ihnen erging. Es waren nur ganz wenige Ausnahmen, die die Lehren des Philosophen bis zur letzten Konsequenz befolgten. Es gab dagegen unzählige Ausreden dafür, anderen oder sich selbst die Sterbehilfe zu verweigern.
    Eine der spektakulärsten Ausnahmen war wohl der Fall eines Politikers. Er hieß Alexander Erengast und war einer von vier Menschen, die Cistolo Khan als Nachfolger seines verschiedenen Stellvertreters Bruno Drenderbaum eingesetzt hatte.
    Alexander Erengast hatte in einer Fernsehrede einen flammenden, geradezu schwärmerischen Appell für die Schule des Sterbens gehalten. Dann hatte er sich vor laufenden Kameras mit Benzin übergossen und angezündet.
    Aber anstatt seinem Beispiel zu folgen, ließen die schockierten Zeugen dieser Selbstentzündung Zweifel daran laut werden, daß Goedda ein solches Opfer wirklich wünsche. Das waren die Stimmen der Feigheit, und Tara konnte solch eine Haltung nicht einmal verurteilen.
    Die Terraner benötigten eben noch einige Lektionen, um all ihre Ängste abzustreifen und den Tod in jeder Form hinzunehmen - ja zu ersehnen, wie es der Philosoph predigte.
    Mitten in die Versammlung des Komitees platzte die Meldung vom Selbstmord einer Kindergruppe. Ein völlig verstörter älterer Mann kam herein und stammelte: „Eine Schar Kinder ... Sie sind im See ertrunken ..."
    Der bereitstehende Medo-Roboter mußte dem Alten eine Beruhigungsspritze geben, erst dann konnte er einigermaßen zusammenhängend berichten.
    „Ich sah acht oder neun Kinder am Steg stehen, keines älter als zehn. Sie hatten ihre Körper mit schweren Steinen beschwert. Ich ahnte Schlimmes und rief sie, um ihrem schrecklichen Tun Einhalt zu gebieten. Aber da sprangen sie. Alle, bis auf ein Mädchen. Es sagte zu mir, und es klang wie entschuldigend, daß sie das noch nicht tun könne, weil sie noch für ihre Eltern sorgen müsse ..."
    Tara und Lester harrten aus, bis die sieben Kinderleichen geborgen waren. Eine war die von Pat. Kim war nicht darunter. Tara beweinte Pats Tod. Sie konnte nicht anders, wider besseres Wissen.
    Aber Lester sagte: „Er hat es geschafft. Ich bewundere Patricks Mut."
    Lester führte Tara am Arm heim. Als sie ihr Haus erreichten, da hatte sie eine Ahnung und ließ ihm den Vortritt. Als Lester über die Schwelle schritt, zuckten Lichtblitze aus dem Türrahmen und verkohlten ihn bis zur Unkenntlichkeit.
    Tara sah ihm beim Sterben zu, bis der Stromkreis unterbrochen wurde und die Lichtblitze erloschen.
    Dann erst trat sie ins Haus und rief nach ihrer Tochter. Kim kam trotzig aus ihrem Versteck, wohl in Erwartung gehöriger
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