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1850 - Traumtod

Titel: 1850 - Traumtod
Autoren: Unbekannt
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statt dessen mit ebensolchem Ernst: „Der Tod ist der Übergang in eine andere Existenzform."
    Sie hätte weiter argumentieren können, daß der Tod für den Christen etwas anderes als für den Buddhisten war; für den einen der Eintritt ins Ewige Leben, für den anderen das Ende einer Station auf seiner Seelenwanderung. Aber sie verkniff sich das, weil sie wußte, daß das nicht das war, was die Kinder hören sollten - und wollten.
    „Das ist aber geschraubt", sagte Pat naserümpfend. „Das Bauwerk ist fertig. Jetzt muß es geschmückt werden. Das ist der Tod."
    Tara merkte, daß ihr die Kinder schon wieder um ein paar Schritte voraus waren. Sie hatten damals den Kreis bereits entdeckt, als sie noch verzweifelt nach ihm suchte. Und nun philosophierten sie über den Tod, während sie sich noch Gedanken darüber machte, wie sie die neue Phase ihres Lebens gestalten sollte.
    „Laßt mich darüber nachdenken, Kinder", wich sie aus, um sich vor ihnen keine Blöße zu geben.
    „Dürfen wir zum See?" fragte Kim.
    „Aber ja."
    Tara war froh, die Kinder losgeworden zu sein und für sich alleine sein zu dürfen. Die Kinder waren anstrengend, weil sie in ihrer Entwicklung reifer als sie selbst waren. Den Kindern fiel alles viel leichter. Sie waren den Lehren des Philosophen weitaus zugänglicher, weil ihr Geist noch unverdorben war.
    Pat hatte ja recht: Die Jünger wurden aus dem Kreis entlassen, weil das Bauwerk endlich fertiggestellt war. Goeddas Heimstatt.
    Nun aber mußte Goeddas Bauwerk geschmückt werden. Wie? Denk einreal nach, Tara. Was könntest du tun, um für Goeddas Heimstatt den passenden Schmuck zu entwerfen? Was hättest du Goedda zu geben?
    „Mein Leben", sagte Tara zu sich selbst.
    Ein Glücksgefühl durchströmte sie, weil sie im selben Augenblick erkannte, daß dies die richtige Antwort war. Sie hatte damit den Schritt in die nächste Phase ihrer Entwicklung getan. Sie war gereift und hatte ihre Kinder eingeholt. Es hatte ihr nichts genützt, daß die Kinder sie auf den Tod hingewiesen hatten, sie hatte von selbst darauf kommen müssen.
    Wenn Milliarden Seelen in Goeddas Heimstatt einziehen, dann ist das ein ihr würdiger Schmuck!
    Tara hörte die Botschaft des Philosophen, und diese drang tief in sie ein.
    Wer Goeddas Gnade erwartet, der muß ihr sein Leben widmen. Widmen heißt geben!
    Tara war bereit, ihr Leben für Goedda hinzugeben. Es war genau das, was sie vom ersten Kontakt zum Philosophen an immer gewollt hatte. Sie hatte diesen Wunsch nur nicht formulieren können. Sie hatte zuerst durch den Kreis gehen und dann langsam zur Erleuchtung hingeführt werden müssen.
    Jetzt wußte sie, was sie wollte. Aber es bestand große Unsicherheit in ihr, wie sie ihren Wunsch verwirklichen sollte. Mit ihren knapp vierzig Jahren hatte sie eine statistische Lebenserwartung von 150 Jahren.
    Wollte Goedda so lange warten?
    Sterben ist nicht unbedingt ein langwieriger Prozeß, lautete die Botschaft des Philosophen für sie und alle Milliarden Terraner, die bereits so weit waren, um Fragen über den Tod zu stellen. Man kann den Prozeß abkürzen.
    Tara schauderte ein wenig, als ihr die Konsequenz dieser Worte bewußt wurde. Sie warf einen Blick ins Arbeitszimmer. wo Lester wie ein kleines Kind am Terminal saß und Kreise um Kreise entwarf.
    Sie beneidete ihn in diesem Augenblick dafür, daß er noch nicht mit diesen Problemen belastet war.
    Der Widerstand gegen etwas so Natürliches wie den Tod ist widernatürlich. Alle Religionen der Terraner predigen das Ende des fleischlichen Seins als Eintritt in eine höhere Existenzform. Aber es gibt keine Schule, die die Sehnsucht nach diesem erstrebenswerten Zustand lehrt. So schicke ich euch in fünf Lektionen durch eine Schule des Sterbens.
    Als Tara diese Botschaft erreichte, durchzuckte sie ein furchtbarer Schmerz. Ihr Herz raste, ihr Gehirn schien zu explodieren, vor ihren Augen begann alles zu flimmern. Die Einrichtungsgegenstände, das ganze Zimmer waren für einige Momente mehrfach überlagert zu sehen. Gleich darauf schoben sich die Bilder allmählich wieder übereinander und bildeten eine Einheit wie ehedem. Dann zogen sich erneut auseinander, so daß Tara alles mehrfach sah. Fügten sich wieder zusammen. Dies alles in Bruchteilen von Sekunden.
    Dieses Flimmern wiederholte sich ein paarmal. Und jede dieser Flimmerphasen brachte eine Welle des körperlichen Schmerzes mit sich.
    Wenn das ein Todesimpuls war, dann wollte ihn Tara hinnehmen, denn damit würde ihr
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