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1824 - Zentrum der Zentrifaal

Titel: 1824 - Zentrum der Zentrifaal
Autoren: Unbekannt
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sich von der Ausbeutung nie erholt; die steppenartige Kulturlandschaft trocknete aus; Wälder gab es nur noch in Schutzzonen, die ebenso vergänglich waren wie alles in der Natur.
    Im Landeanflug wühlten die Frachter den Nebel auf, dann wurden sie verschluckt.
    Es war ein Tag wie jeder andere, wenngleich eine gewisse Anspannung in der Luft zu hängen schien.
    Caliform war gestern gelandet.
    Legiaw ignorierte den Blick über die Stadt, den ihm die Pänoramafenster der
     
    38.
     
    Etage boten. Die verschlafene Lethargie täuschte, denn unter dem Dunst brodelte der Hexenkessel Cursor Tag und Nacht.
    Der flache Wandbildschirm reagierte auf seine Anwesenheit. Ein Sensor tastete das Hintergrundmuster seiner Blickleiste ab.
    Identität nachgewiesen. Kontrollen flammten auf, Legiaw berührte sie in festgelegter Reihenfolge.
    Auf dem Schirm erschien das Symbol des Regimes, unmittelbar darauf dann A-Betchagas Konterfei.
    „Ich höre", sagte Legiaw.
    Auftragserteilung. Nur ein säumiger Zahler an diesem Morgen. Enttäuscht klapperte Legiaw mit den Krallen. Er hatte schlecht geschlafen in der vom Sturm gebeutelten Höhe, hatte gehofft, seine angestauten Aggressionen wenigstens beim Eintreiben der Steuergelder ausleben zu können. Aber nur ein Auftrag ...
    Wütend wirbelte er mit der rechten Hand durch die Luft.
    A-Betchaga verschwendete kein Wort. Präzise und kalt kam seine Anordnung. Der Proband, ein Künstler. Es war widerwärtig, Steuern von Künstlern einzutreiben, denn niemand konnte ihnen wirkungsvoll drohen. Ihre Kunstwerke zu vernichten hätte bedeutet, die Verachtung aller Zentrifaal auf sich zu ziehen. Das war ungeschriebenes Gesetz. Und töten durfte er nicht.
    „Eines Tages", stieß Legiaw zerknirscht hervor, „eines Tages werde ich den ersten säumigen Zahler durchbohren!"
    Ruckartig stieß er den rechten Arm nach vorne, die sieben Finger starr ausgestreckt. Es knackte vernehmlich, als die spitzen Nägel den Wandbelag absplitterten und in die Mauer eindrangen. Schier übermächtig wurde das Verlangen, die Hand herumzudrehen und das verdichtete Kunststoffmaterial aufzubrechen. Jedoch besann der Zentrifaal sich darauf, daß er Gefahr lief, Versorgungsleitungen zu zerstören.
    „Du wirst L-Kepaol nicht töten!" stieß A-Betchaga ungewöhnlich scharf hervor. „Trotz seiner hohen Zahlungsrückstände."
    Legiaw schwieg verbissen.
    „Du hast verstanden? Kein Blutvergießen, das unweigerlich zum Shifting führen würde."
    „Ich bin mir der Verantwortung bewußt", versicherte Legiaw.
    Leider, fügte er in Gedanken hinzu.
    A-Betchaga, der mit seinem Clan die Regierung stellte, war ein Weichling, der lediglich ein gewisses administratives Geschick zu seinen Gunsten anführen konnte. Niemand hatte ihn selbst je mit körperlicher Gewalt gegen andere vorgehen sehen, geschweige denn auch nur davon gehört. A-Betchaga war ein Mann des gesellschaftlichen Ausgleichs, viele Zentrifaal verglichen ihn inzwischen mit einem nagelamputierten Kranken.
    Ein wütender Fußtritt öffnete die Tür zum Feuchtraum. Legiaw, der Clanlose, blickte in ein halbes Dutzend Spiegelfelder, aus denen ihn sein Abbild wütend anstarrte.
    „Schwächling!" fauchte er verächtlich. „Wann wirst du begreifen, daß alle Furcht vor einem Shifting unbegründet ist? Seit tausend Jahren ist bei uns nichts mehr geschehen."
    Seit tausend Jahren unterdrückten die Zentrifaal ihre Triebe nach Konfrontation. Das war die grausamste Art der Selbstverstümmelung, die ein im Grunde seiner Seele kriegerisches Volk sich antun konnte.
    „Der Zwang zum Frieden hat uns kastriert." Legiaws Linke fegte durch die Batterie von Flaschen und Dosen auf einer Konsole. Der klirrende Aufprall verdunkelte eines der Spiegelfelder, gleich darauf zogen seine Krallen sieben tiefe parallele Furchen in das gehärtete Material.
    Er stellte sich vor, daß die Nägel die Haut eines Galornen ritzten und tiefe Wunden hinterließen. Das Gefühl der Überlegenheit lief wie ein wohliger Schauer beide Wirbelsäulen hinab. Aber dann grinste ihn nur das eigene, durch die Risse verunstaltete Spiegelbild an.
    Seit mehr als zwölf Generationen schwiegen die Galornen. Trotzdem war ihre vermeintliche Präsenz bedrückend. Seit der glorreichen Zeit des Kriegsherrn A-Gedeonta lebten die Zentrifaal mit diesem Trauma, doch die Unzufriedenheit wuchs, die Stimmen mehrten sich, die eine Rückbesinnung forderten. A-Gedeonta war der letzte große Staatsmann gewesen, der seinen Feinden Stärke und
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