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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Ebert
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Reserven und neue Munition? Davon hing das Schicksal Sachsens, Deutschlands, Europas ab. Die Menschen sehnten sich nach Frieden und waren es leid, unter französischer Besatzung zu leben. Reformen, eine Ständeverfassung, mehr Rechte für die Bürgerschaft – das war es, wovon er träumte und seine Logenbrüder auch.
    Doch er hatte die Konzession nur mit der Auflage erteilt bekommen, keinerlei politische Abhandlungen zu veröffentlichen. Das durfte lediglich die
Leipziger Zeitung,
die neulich sogar einen Aufruf des Universitätsrektors Krug veröffentlicht hatte, das sächsische Volk solle sich bewaffnen und zum Kampf für die Freiheit und ein einiges Vaterland erheben, so wie die Preußen es taten.
    Dergleichen war in Freiberg natürlich undenkbar, auch wenn einige Professoren der hiesigen Königlich-Sächsischen Bergakademie durchaus die Ansichten Krugs teilten.
    Mittlerweile musste man sich Zeitungen aus Preußen kommen lassen, um zu erfahren, was in deutschen Landen vonstattenging.
    Selbst die harmlosesten stadtgeschichtlichen Aufsätze hatte er sich Zeile für Zeile vom Zensor genehmigen zu lassen und musste stets auf der Hut sein. Etwaiges Missfallen würde ihn viel Geld kosten, womöglich sogar die Konzession und im schlimmsten Fall eine Haftstrafe oder den Tod einbringen.
    Kein Wort durfte im ganzen Land über die Niederlage und die schrecklichen Verluste der Grande Armée in Russland veröffentlicht werden, bevor das amtliche Bulletin dazu erschien, und das wurde erst herausgegeben, als die Truppen schon wochenlang auf dem Rückzug waren. Dabei betraf das viele Sachsen ganz direkt: Über zweiundzwanzigtausend Mann musste Sachsen Napoleon für diesen Feldzug stellen. Auch Bayern, Westphalen, Preußen, Österreich und Württemberg hatten große Korps zu entsenden.
    Von den meisten Sachsen gab es keinerlei Lebenszeichen aus Russland, während ihre Angehörigen immer verzweifelter auf Nachricht warteten. Lisbeth zum Beispiel, seine Köchin, hatte vier von ihren sechs Söhnen dort und wollte einfach die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie noch zurückkehrten. Aber es gab keine Listen von Toten, Gefangenen und Verwundeten.
    Mitunter fragte er sich, was wohl einst die Nachgeborenen von dieser Zeit denken würden, wenn sie in seinen
Gemeinnützigen Nachrichten
blätterten. Ob sie wohl zwischen den Zeilen herauslasen, was wirklich in der Stadt vor sich ging? Zum Beispiel aus jener Danksagung und Bitte des Hospitalaufsehers, die in der Ausgabe der nächsten Woche stehen würde? Oder aus den amtlichen Bekanntmachungen über die Einquartierungsbedingungen der Militärs? Drei Pfund Brot und ein Pfund Fleisch täglich für jeden Offizier – wie sollten die Familien das nach den langen Kriegen und der katastrophalen Missernte im vergangenen Jahr aufbringen? Zumal es keine Entschädigungen mehr für die Quartierbilletts gab wie früher!
    Und würden einst die Nachgeborenen aus den wiederholten Aufrufen an die Rekruten, sich endlich zum Dienst einzufinden, den richtigen Schluss ziehen, dass den jungen Männern die Kriegsbegeisterung abhandengekommen war und sie lieber das Weite suchten, statt sich zu den Truppen zu melden?
    Wohlweislich hatte er seinen ältesten Sohn, der zwanzig Jahre zählte, schon vor längerer Zeit auf Bildungsreise ins Ausland geschickt. Und sein Zweitgeborener, Eduard, war mit fünfzehn noch zu jung, um ins Feld zu ziehen.
    Das alles ging Friedrich Gerlach wieder einmal durch den Kopf, während er das Haus betrat, den grauen Hut auf den Haken hing, den Gehstock ablegte und den Frack gegen einen bequemen Hausrock tauschte – immer noch verwundert, dass ihm weder seine Frau noch das Dienstmädchen entgegenkamen.
    Weil es ihm zu albern erschien, nach ihnen zu rufen, räusperte er sich erst, dann trat er noch einmal zur Tür, öffnete sie und ließ sie etwas lauter als gewohnt zuschlagen.
    Das endlich zeigte Wirkung. Ein paar Augenblicke später stand Johanna in der Diele, und schon an ihrer Miene erkannte er, dass etwas Außergewöhnliches, Besorgniserregendes geschehen sein musste.
    Sein erster Gedanke: Sie hatte noch vor ihm etwas über den Ausgang der gestrigen Schlacht erfahren, obwohl das äußerst unwahrscheinlich war. Kehrten etwa die Franzosen zurück? Doch was er stattdessen zu hören bekam, traf ihn wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel.
     
    In ein viel zu langes Nachthemd ihrer Tante aus rüschenbesetztem Musselin gehüllt, lag Henriette im großen Bett des Gästezimmers, nachdem sie etwas
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