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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Ebert
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ich eines meiner Kleider passend machen.«
    Sie musterte Henriette und lächelte erneut. »Ich werde es kürzen müssen. Aber bei deiner schmalen Taille kann ich vermutlich so viel Stoff abnähen, dass wir noch ein Schultertuch herausbekommen.«
     
    In Gedanken versunken und ohne die geringste Ahnung, welch unerwarteter Besuch in seinem Haushalt eingetroffen war, spazierte Friedrich Gerlach nach dem Pflichtbesuch beim königlichen Zensor wieder zu seinem Heim am Untermarkt. Kurz bevor der Buchdrucker die Tür erreichte, entdeckte er den schmächtigen Doktor Bursian, den Aufseher der Freiberger Militärhospitäler, der, heftig mit dem Arm winkend, auf sich aufmerksam machte und mit wehenden Rockschößen quer über den Marktplatz auf ihn zuhastete, mitten durch eine Pfütze hindurch.
    Johann Christoph Friedrich Gerlach , ein nicht allzu großer, etwas beleibter Mann von siebenundfünfzig Jahren mit freundlichen Gesichtszügen und schütterem weißem Haar, blieb stehen und blickte dem Arzt entgegen.
    Dr. Bursians Kleidung war zerdrückt, sein rechtes Brillenglas zerkratzt, die Halsbinde saß schief, die Augen waren tief umschattet, und angesichts der Bartstoppeln auf den Wangen musste seine letzte Rasur wohl schon zwei Tage zurückliegen.
    »Hätten Sie die Güte, dies in Ihrer nächsten Ausgabe zu veröffentlichen?«, fragte er und zog ein zerknittertes, eng beschriebenes Blatt aus seiner Weste.
    »Ein Dank an all die Frauen, die uns Leinen und Charpie für die Verwundeten gespendet haben – und der Aufruf, mit ihrer Mildtätigkeit nicht nachzulassen«, erklärte der Lazarettverwalter, während der Buchdrucker die wenigen Zeilen mit der Überschrift »Dank und Bitte« überflog.
    »Es kommen immer mehr Verletzte, wir wissen einfach nicht mehr, wie wir sie noch versorgen sollen.«
    Bursian räusperte sich verlegen. »Und wenn Sie als Ihren Beitrag diese Annonce …«
    »Natürlich berechne ich Ihnen keine Kosten«, fiel Friedrich Gerlach ihm ins Wort. Sonst hätte Bursian einen Gehilfen geschickt und wäre angesichts der vielen Arbeit, die auf ihn wartete, nicht persönlich gekommen. »In solchen Zeiten muss jeder beitragen, was er kann. Möchten Sie mit mir auf eine Tasse Tee ins Kontor?«
    Einladend wies er zur Tür.
    Doch der schmächtige Lazarettverwalter winkte ab. »Bin in Eile. Es gibt so viel zu tun! Und uns fehlt es an Personal, nicht nur an Leinen und Medikamenten …«
    Er neigte sich Gerlach ein wenig entgegen und raunte bedeutungsschwer: »In der gestrigen Schlacht soll es so viele Tote und Verwundete gegeben haben, dass wir uns hier auf das Schlimmste gefasst machen müssen.«
    »Weiß man denn schon, wo sie stattfand? Und vor allem, wer gesiegt hat, die Franzosen oder die Alliierten?«, fragte der Buchdrucker aufgeregt. »Es ist noch kein offizielles Bulletin eingetroffen.«
    »Gekämpft wurde südwestlich von Leipzig, vor allem in Großgörschen, Kleingörschen, Kaja und Rahna«, berichtete Carl Friedrich Bursian und verzog den Mundwinkel zu einem grimmigen Lächeln. »Auf das Bulletin bin ich wirklich gespannt, denn jede Seite behauptet, gewonnen zu haben. Aber es heißt, die Alliierten ziehen sich in großer Eile zurück. Das sieht nicht gerade nach einem Sieg aus, oder? Jedenfalls habe ich Order, alles für die Aufnahme weiterer Verwundeter vorzubereiten.«
    Er tippte an die Krempe seines Hutes, machte auf dem Absatz kehrt und lief mit hastigen Schritten Richtung Kreuzgasse davon. Im Dom setzte das anmutige Spiel der Silbermannorgel ein, das jäh abbrach und abermals aufgenommen wurde. Der Organist übte wohl wieder.
    Der Buchdrucker sah Bursian kurz nach, bevor er das geräumige Eckhaus an Untermarkt und Bäckergässchen betrat, in dem seine Werkstatt, seine Buchhandlung und seine Wohnung untergebracht waren.
    Er wunderte sich, dass ihn seine Frau nicht mit dem üblichen »Wie lief es heute?« empfing, wenn er vom Zensor heimkehrte. Dies waren stets heikle Besuche, aber doppelt schwierig in Kriegszeiten!
    Manchmal war er es leid, in seinen
Freiberger gemeinnützigen Nachrichten für das Königlich-Sächsische Erzgebirge,
die er nunmehr im vierzehnten Jahr herausgab, über Belanglosigkeiten zu berichten, während in diesem Krieg die schrecklichsten Dinge geschahen.
    Hatten nun gestern die Franzosen oder die Alliierten gesiegt? Und wenn sich die verbündeten Russen und Preußen tatsächlich zurückzogen – wie weit und für wie lange? Waren sie vernichtend geschlagen, oder sammelten sie nur ihre
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