Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories
Autoren: Manfred Kluge
Vom Netzwerk:
Men­schen, die an die­sem 9. De­zem­ber nach New York flie­gen wol­len.
    Oh­ne daß ich sie ru­fe, er­scheint mir die Frau aus dem Meer in je­ner Nacht zum 9. De­zem­ber als ge­spens­ti­sche Er­schei­nung. Sie steht plötz­lich mit sträh­nig nas­sem Haar und mit grün­lich durch­sich­tig schim­mern­dem Kör­per vor mir.
    Starr vor Angst und Ent­set­zen lie­ge ich im Bett. Da­bei glau­be ich zu spü­ren, wie sich mir buch­stäb­lich die Haa­re sträu­ben.
    Die Frau aus dem Meer hebt war­nend die Hand und raunt mir et­was zu.
    »… die Uhr … bun­tes Pa­pier … nicht mit­neh­men …«
    Mehr als die­se sinn­lo­sen Satz­fet­zen ver­ste­he ich nicht. Aber wäh­rend ich noch starr vor Grau­en da­lie­ge und die se Geis­terer­schei­nung mit­ten im dunklen Zim­mer ste­hen se­he, er­ken­ne ich plötz­lich das Ge­sicht von Fred­dys äl­te­rer Schwes­ter Myr­na, von der er mir Fo­tos ge­zeigt hat.
    Kaum ha­be ich sie er­kannt, da wird das Ge­sicht, wird die gan­ze Er­schei­nung un­deut­li­cher und zer­fließt und ver­schwin­det in der Nacht.
    So­fort ma­che ich Licht. Mein Puls rast. Mei­ne Hän­de zit­tern, als ich mir ei­ne Zi­ga­ret­te an­zün­de. An Schlaf ist in die­ser Nacht nicht mehr zu den­ken. Mehr­mals grei­fe ich zum Te­le­fon­hö­rer und las­se je­des­mal die Hand mut­los wie­der sin­ken.
    Fred­dy wür­de mich für ver­rückt er­klä­ren, wenn ich ihn jetzt mit­ten in der Nacht fra­gen wür­de, wie sei­ne Schwes­ter Myr­na vo­ri­ges Jahr ums Le­ben ge­kom­men ist. Dar­über hat er noch nie mit mir ge­spro­chen. So weiß ich nur auf Um­we­gen, daß Myr­na vor vier­zehn Mo­na­ten töd­lich ver­un­glückt ist.
     
    Als vor den Fens­tern mei­nes Apart­ments neb­lig trüb der Mor­gen däm­mert, ist mein Ent­schluß ge­faßt. In we­ni­gen Stun­den star­tet Fred­dys Ma­schi­ne nach New York. Mir bleibt nur noch die­se kur­ze Zeit­span­ne.
    Ei­ne Stun­de spä­ter ha­be ich te­le­fo­nisch von ei­ner schläf­ri­gen Stim­me in der Fried­hofs­ver­wal­tung er­fah­ren, daß Myr­na Thomp­son am 12. Ok­to­ber 1970 ge­stor­ben ist. Gleich dar­auf bin ich auf dem We­ge zum Zei­tungs­ar­chiv. Aber ich muß war­ten, bis ich end­lich in ner­vö­ser Hast die Zei­tun­gen vom 13. bis 17. Ok­to­ber 1970 durch­blät­tern kann.
    We­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter ha­be ich drei Zei­tungs­no­ti­zen ge­le­sen, und jetzt ist mir al­les klar! Ich ra­se zur nächs­ten Te­le­fon­zel­le und ru­fe Fred­dy an. Gott­lob! Er ist noch da!
    »Fred­dy, war dein Stief­bru­der Mal­colm et­wa heu­te mor­gen noch bei dir?« fra­ge ich so­fort.
    »Ja, der war da«, ant­wor­tet er un­ge­dul­dig. »Aber Pa­me­la, ich ha­be jetzt wirk­lich kei­ne Zeit mehr. Das Ta­xi war­tet schon. In ei­ner Stun­de geht mein Flug­zeug. Bis nächs­te Wo­che –«
    »Fred­dy!« ru­fe ich ver­zwei­felt. »Dein Ge­päck! Du mußt so­fort nach­se­hen –«
    Aber er hat schon ab­ge­hängt. Mein Gott! Was soll ich nur tun? Die Po­li­zei alar­mie­ren? Die wür­den mich doch nur aus­la­chen!
    Ich bin mit­ten in der Ci­ty, und Fred­dy wohnt nur zehn Au­to­mi­nu­ten vom Flug­ha­fen ent­fernt. Drei­mal sau­se ich noch bei Rot über die Kreu­zung und über­tre­te mit mei­nem Mi­ni-Mor­ris sämt­li­che Ge­schwin­dig­keits­be­schrän­kun­gen.
    Aber ich muß es schaf­fen! Ich muß! Drei­hun­dert Men­schen flie­gen mit die­ser Jum­bo-Jet nach New York!
    Als ich durch die Hal­le ren­ne, wer­den die Pas­sa­gie­re für Flug Num­mer B 609 um 11 Uhr 03 nach New York ge­ra­de per Laut­spre­cher auf­ge­ru­fen. Ich has­te durch die Paß­kon­trol­le und hö­re Be­am­te hin­ter mir wü­tend ru­fen.
    »Fred­dy!«
    Ich er­wi­sche ihn, als er mit sei­nem Bord­kof­fer ge­ra­de zum Aus­gang schlen­dert. Er starrt mich ganz ver­blüfft an.
    »Hat dir Mal­colm et­was mit­ge­ge­ben?« ru­fe ich atem­los.
    Er nickt er­staunt. »Ja, für sei­ne Freun­din ei­ne Schach­tel Wein­brand­pra­li­nen. Die sind drü­ben ver­bo­ten, und ich ha­be sie hier –«
    Da zer­re ich schon den Reiß­ver­schluß der Au­ßen­ta­sche sei­nes Bord­kof­fers auf und zie­he die Schach­tel im bun­ten Ge­schenk­pa­pier her­vor.
    »… die Uhr … bun­tes Pa­pier … nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher