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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories
Autoren: Manfred Kluge
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Aus­drücken in­nigs­ter Ver­eh­rung und hei­ßer Sehn­sucht nach dem Wie­der­se­hen des gött­li­chen Ham­let.
    Um halb sechs kam mit der Däm­me­rung sein Freund Gu­stav Riet­schi. Er fand Ham­let in Grau gehüllt, mit zwei ro­ten Blut­fle­cken des sin­ken­den Abends auf Brust und Schul­tern und den De­gen sin­nend vor sich, daß die schma­le Klin­ge im Halb­kreis vom Korb zum Fuß­bo­den sprang. Der Spie­gel wie­der­hol­te dies al­les noch ein­mal, fah­ler, grau­er und leb­los star­rer als die Wirk­lich­keit.
    »Ich hö­re, daß du wie­der den Ham­let spie­len willst.«
    »Ich ha­be mich da­zu ent­schlos­sen. Der Di­rek­tor hat mir stark zu­ge­setzt, um den Sha­ke­s­pea­re-Zy­klus zu er­mög­li­chen und ich … warum soll­te ich nicht wie­der ein­mal den Ham­let spie­len. Mei­ne bes­te Rol­le … lä­cher­lich!«
    »Wenn du selbst das von da­mals über­wun­den hast, warum soll­test du ihn nicht spie­len? Ge­wiß.«
    »Ich … ich ha­be es über­wun­den.« Prinz ließ die Klin ge auf­sprin­gen, daß sie lei­se im Korb klirr­te. Die blu­ti­gen Fle­cken auf Brust und Schul­tern brei­te­ten sich im Grau aus, ver­schwam­men und zit­ter­ten ins Dun­kel hin­über.
    Der Freund sah den schma­len, schwar­zen Strei­fen der Klin­ge von der Hand Ham­lets aus­ge­hen, wie einen ins Un­ge­wis­se ge­rich­te­ten Wil­len. »Wie lan­ge ist das schon her?«
    »Du bist glück­lich, daß du nicht die Jah­re zäh­len muß test. Fünf Jah­re Ver­ban­nung von dem Bes­ten und Höchs­ten mei­ner Kraft.«
    »Ich kann es mir den­ken, daß dir je­de Wie­der­ho­lung auch al­les Ent­set­zen von da­mals hät­te furcht­bar zu­rück­brin­gen müs­sen.«
    »Ei­ne Lau­ne, mein Lie­ber, ei­ne Lau­ne. Oder glaubst du viel­leicht, mein Ge­wis­sen … Willst du viel­leicht sa gen, daß mehr als ein un­glück­li­cher Zu­fall …«
    »Aber … aber, Prinz! Du scheinst noch im­mer nicht ganz über­wun­den zu ha­ben. Dei­ne Auf­re­gung da­mals hat dei­ne Ner­ven stark mit­ge­nom­men.«
    »Ja, es war furcht­bar, als er so vor mir lag. Blut an sei­nem Wams und mein De­gen voll Blut. Kein Thea­ter­tod, von dem man sich er­hebt, um sich dem Bei­fall des Pu­bli­kums lä­chelnd zu ver­beu­gen, son­dern der wirk­li­che Tod. Noch ein paar Zu­ckun­gen und Krämp­fe und dann taub für das Klat­schen. Die­ses Klat­schen war furcht­bar. Sie wuß­ten nichts und glaub­ten an einen Tri­umph der Schau­spiel­kunst. For­tin­bras muß­te die Wor­te fin­den, die uns an­de­ren er­starrt wa­ren.«
    Die Wir­tin brach­te die Lam­pe, froh, einen Vor­wand ge­fun­den zu ha­ben, um zu Prinz vor­zu­drin­gen. Aber ih­re Lie­bens­wür­dig­kei­ten und die er­höh­te Far­big­keit ih­res Ge­sichts ge­wan­nen kei­ne Be­ach­tung. Als sie schmol­lend ge­gan­gen war, leg­te Ham­let den De­gen auf den Tisch. »Ein Zu­fall, Freund, ein un­glück­li­cher Zu­fall. Ein Ver­se­hen des Re­qui­si­teurs und der Tod stand un­ter uns. Ich schwö­re dir, ein Zu­fall.«
    »Es zwei­felt nie­mand dar­an.«
    »Seit­dem tra­ge ich mei­ne ei­ge­nen Waf­fen, von de­nen ich weiß, daß sie stumpf und un­schäd­lich sind.« Er bohr te die Spit­ze des De­gens ge­gen die Hand­flä­che, als woll­te er einen Rich­ter von sei­ner Un­schuld über­zeu­gen. »Und doch … wenn sich auf der Büh­ne die Klin­gen kreu­zen, so zit­te­re ich und mei­ne Fech­ter­küns­te sind nicht bes­ser als die ir­gend­ei­nes Sta­tis­ten.«
    »Ich ha­be es be­merkt.«
    »Hast du es be­merkt? Nicht wahr! Viel­leicht hat es auch das Pu­bli­kum be­merkt. Und über­haupt, weißt du, ich füh­le mich seit­dem nicht mehr voll. Die Kri­tik schont mich nur. Aber ich will kein Al­mo­sen des Bei­falls. Wenn ich den Ham­let wie­der ge­spielt ha­be, bin ich frei. Ich muß wie­der ei­nem Laer­tes ge­gen­über­tre­ten, ich muß ihn sich er­he­ben und lä­cheln se­hen, weißt du, dann ha­be ich die­ses greu­li­che Ge­spenst be­siegt.«
    Er wuchs zu vol­ler Schlank­heit em­por und fiel aus ei­ner ra­schen Fechter­stel­lung mit ei­ni­gen Stö­ßen aus, die einen kör­per­lo­sen Feind durch­bohr­ten. Dann sank der De­gen wie in Ver­zweif­lung am Sieg. »Du warst … nicht wahr, du warst doch da­mals meist um mich? Als ich im
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