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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories
Autoren: Manfred Kluge
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Zu­fall. Es war Ab­sicht … Mord. Laer­tes ist er­mor­det wor­den, ich ha­be ihn um­ge­bracht.«
    »Herr Prinz!!«
    »Ich kom­me.« Und Ham­let trat zu Ho­ra­tio in die Hal­le des Kampf­spie­les. Laer­tes stand in der Nä­he, ir­gend­wo zwi­schen den Ku­lis­sen auf sein Stich­wort war­tend. Man sah ihn nicht, aber man wuß­te, daß er hier war und daß ihn nichts hin­dern wür­de, die Büh­ne zu be­tre­ten. Von der Angst des Freun­des und sei­nem Ge­ständ­nis ver­wirrt, wag­te Riet­schi nicht, ihn zu su­chen und sah nur, wie sich die Vor­gän­ge der Büh­ne hin­schlepp­ten, wie die Wor­te Ham­lets zö­gernd und um klei­ne Auf­ent­hal­te be­müht, folg­ten. Kö­nig Clau­di­us setz­te sei­ne aus­drucks­vol­len, auf­ge­reg­ten Ge­bär­den fast in das Ge­sicht des Thea­ter­arz­tes, dann riß auch ihn der Wir­bel der Hand­lung hin­aus, wo ei­ne selt­sa­me Span­nung zit­ter­te und auf ih­re Er­lö­sung war­te­te.
    Hin­ter Riet­schi mach­ten zwei Feu­er­wehr­leu­te halb­lau­te Be­mer­kun­gen: »Der Ham­let, der spielt heut, das is a Pracht.«
    »Jo, der spüllt … wie auf Tod und Le­ben.«
    Plötz­lich stand Laer­tes un­ter den Per­so­nen der Sze­ne. Riet­schi sah, wie sich al­les ihm zu­wand­te, zu­gleich an­ge­zo­gen und ab­ge­sto­ßen und wie sie sich dann al­le un­will­kür­lich um Ham­let als um einen ent­ge­gen­ge­setz­ten Pol zu sam­meln such­ten. Das Ge­fü­ge des Dra­mas schwank­te, wie ein vom Sturm be­rann­ter Turm, oh­ne Ge­fahr des Stur­zes, aber ge­nü­gend, um das Zit­ternd des Bau­es zu füh­len. Laer­tes stand un­ter den Höf­lin­gen, schlank, ge­schmei­dig, lä­chelnd, und es schi­en Riet­schi nun selbst, als ob dies nicht Hil­de­mann sein kön­ne. Er spiel­te ver­hei­ßungs­voll mit der Klin­ge und zwang ih­re Ge­schmei­dig­keit zu tol­len Li­ni­en, die einen Au­gen­blick wie Zei­chen in der Luft stan­den.
    Der Kampf be­gann. Die Klin­gen fan­den und ban­den sich, zisch­ten wie Schlan­gen und be­geg­ne­ten sich in wil den Stö­ßen und Pa­ra­den. Sie wa­ren rasch und heim­tückisch, lau­ernd und bru­tal, be­leb­te We­sen, die am Ran­de ei­nes Ab­grun­des mit­ein­an­der rin­gen. Der Kampf zog sich in die Län­ge, weit über die Dau­er ei­nes blo­ßen Spie­les hin­aus, und wäh­rend der Re­gis­seur ver­zwei­felt auf For­tin­bras ein­sprach, sah Riet­schi ent­setzt, daß sich Ham­let im Ernst zu weh­ren hat­te und daß ihn Laer­tes mit ei­nem tol len Feu­er von Stö­ßen be­dräng­te. Um die­sen Kampf bil­de­ten sich Grup­pen von Zu­schau­ern, die der un­be­son­ne­nen Mi­mik wirk­li­cher Angst folg­ten, und selbst die Mas­sen der Sta­tis­ten be­leb­ten sich.
    Da sah Riet­schi, daß Laer­tes mit ei­nem Dop­pel­stoß Ham­lets Brust be­rühr­te und daß er die Klin­ge lä­chelnd und lang­sam zu­rück­zog. Ham­let stürz­te, bäum­te sich auf, griff nach dem Hals und fiel zu­rück. Er lang­te mit kramp­fi­gen Fin­gern nach dem Klei­de der Kö­ni­gin und wälz­te sich rö­chelnd zur Sei­te.
    »Vor­hang, Vor­hang!« schrie der Re­gis­seur, der Thea­ter­arzt rann­te Riet­schi fast um und dräng­te sich zu dem Ge­fal­le­nen. Wäh­rend der Re­gis­seur vor dem Vor­hang in das un­ru­hi­ge Mur­meln des Pu­bli­kums von ei­nem klei­nen, be­dau­er­li­chen Un­fall sprach und um ge­ord­ne­tes Ver­las sen des Hau­ses bat, un­ter­such­te der Arzt den Kör­per des Ver­un­glück­ten.
    Ham­let war tot.
    »Laer­tes, Laer­tes … wo ist Hil­de­mann?« schrie der Di­rek­tor, und der Po­li­zei­kom­mis­sär rann­te da­von, um ihn zu su­chen. Aber Laer­tes war ver­schwun­den.
    Ein Post­bo­te durch­brach den Kreis der krei­schen­den Frau­en und ver­stumm­ten Män­ner mit ei­nem Te­le­gramm an den Di­rek­tor. Es ent­hielt ei­ne son­der­ba­re Nach­richt. Der Zug, mit dem Hil­de­mann zur Abend­vor­stel­lung ein­tref­fen woll­te, war auf hal­b­em We­ge durch einen Schie­nen­bruch ver­un­glückt. Es gab zwei To­te und ei­ni­ge Schwer­ver­letz­te. Und so­bald in der nächs­ten Bahn­sta­ti­on die Iden­ti­tät der Ver­un­glück­ten fest­ge­stellt wor­den war, hat­te sich der Sta­ti­ons­vor­stand be­eilt, die Di­rek­ti­on da­von zu ver­stän­di­gen, daß
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