Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
war?«
    Malie schwieg. Dann trat auch sie ans Fenster. »Ich sehe es so: Wir sind in Wahrheit gar nicht hier. Wir sind Geister, wie auch all die armen Teufel unten im Keller, die die Prüfung nicht bestanden haben.« Sie räusperte sich. »Die hinter allem stehende Macht hat sie aussortiert, da sie ihren Ansprüchen nicht genügen…«
    »Und du? Hast du die Prüfung bestanden?«
    »Wie es aussieht: nein.« Sie blickte zu Boden. Aruula spürte ihre tiefe Verzweiflung.
    »Was ist mit diesen komischen Gestalten, die Graf Zarrat und Theopheel verfolgt und mich umgerannt haben?«, fragte sie, um Malie abzulenken.
    »Die sind wahrscheinlich bedeutungslos. Bloße Effekte, die uns erschrecken sollen. Wie bei deiner Gruppe das Sköldpadd – und bei mir und meinen Gefährten die Taratze. Sie sind nur Versatzstücke aus einem Arsenal des Grauens, die sich auf uns stürzen, um unsere Reaktion zu messen.«
    »Nicht übel, junge Frau.«
    Aruula und Malie fuhren herum.
    In der Mitte des Saals stand eine von einem wallenden Gewand verhüllte Gestalt. Sie war so hager und knochig wie der Tod, und ihr Kopf wurde von einer Kapuze bedeckt, unter der man mit einiger Mühe ein knöchernes und totenbleiches Gesicht erkennen konnte. Ihre Augen – wenn es welche waren – lagen in dunklen Höhlen, der grässlich verzogene Mund klaffte schwarz, zeigte keine Zähne und sprach, ohne die Lippen zu bewegen.
    Da das Gesicht keine Regung zeigte, war Aruula schnell klar, dass es gar kein Gesicht war, sondern eine Maske.
    »Wer bist du?«
    »Ich bin der große Derdiedas; das rigorose Regiment; der Ozonstengel prima Qua; der anonyme Einprozent.« Die Stimme klang krächzend und schien sich zu amüsieren.
    Aruula und Malie schauten sich an.
    Beide richteten ihre Leuchten auf das merkwürdige Ding.
    Das Gesicht war tatsächlich eine Maske. Sie sahen aber auch die aus den langen Ärmeln hervorragenden Hände, die ganz und gar aus Knochen bestanden.
    Als Kind der Natur war Aruula die Geisterwelt nicht fremd.
    Obwohl Maddrax sagte, dass für unheimliche Erscheinungen meist menschlicher Mummenschanz oder Naturphänomene verantwortlich waren, hatte sie sich nie für oder gegen sie entscheiden können. Wann immer sie etwas sah, das sich nicht erklären ließ, war sie zwar versucht, es als bewusste Täuschung des Auges abzutun, doch es gelang nicht immer.
    »Hans Arp«, sagte Malie und richtete ihr Schwert auf die langsam näher kommende Gestalt. »Ein Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts; von ihm stammt dein Zitat.«
    Der Vermummte stieß einen wütenden Schrei aus. Wie ein Dichter klang er nicht; eher wie ein störrisches Kind, das bei etwas Verbotenem ertappt wird.
    »Und dein Gesicht hat Edvard Munch gemalt!«
    Die Gestalt stampfte mit dem Fuß auf und verging wie Dunst in der Sonne.
    »Was war das?«
    »Ein Gespenst…« Malie schaute sich um. Dann nahm sie Aruulas Hand. Die beiden Frauen durchquerten im Schein der Leuchten den Saal. Vor den Wänden standen in regelmäßigen Abständen Stühle aus Holz, dazwischen hohe gusseiserne Halter mit unterarmdicken schwarzen Kerzen darin. Ein roter, abgewetzter Teppich dämpfte jeden Schritt. An den Wänden hingen in Gold gerahmte Gemälde von Männern und Frauen mit monströs verwarzten Gesichtern, Knollennasen und spitzen Zähnen.
    Die allergrässlichste Visage war ein breitbeinig auf einer Art Thron sitzendes Lebewesen, dessen Kopf an das Maul eines Shargators erinnerte – einen Vertreter der gefräßigen Art, die sich vor Jahrhunderten aus einer Vermischung der Gene von Haien und Alligatoren ergeben hatte. »Wudan! Wer ist das?«
    Sie blieb stehen.
    »Xordimor.« Malie schaute zu dem Gemälde auf. »In Graf Zarrats Zelt liegt irgendwo eine kleine Kopie dieses Gemäldes herum.«
    »Was ist er? Ein Halbmensch? Ein Halbtier?« Aruula musste schlucken.
    »Das Produkt vieler fehlgeschlagener Versuche, die Unsterblichkeit zu erringen – hat Hauptmann Yasef mir erzählt, bevor ich mich auf dieses Unternehmen eingelassen habe.« Malie rümpfte die Nase. »Schon seine Ahnen waren nicht hübsch, wie die Gemälde beweisen. Doch sie waren anerkannte Alchimisten, die gegen fast jede Krankheit eine wirkungsvolle Medizin zusammenbrauen konnten.«
    »Was hat er getan, um diese Strafe zu verdienen?«
    Malie verzog spöttisch den Mund. »Xordimor war… ist nicht nur ein hoch geschätzter Alchimist, sondern auch ein Mann . Als letzter Spross einer berühmten Ahnenreihe wollte er die Dynastie natürlich fortsetzen.« Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher