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179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit
Autoren: Ronald M. Hahn
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»In zehn Minuten wird sich alles entscheiden. Dann ist die Zeit abgelaufen.«
    »Wirklich?« Ein lautloses Lachen schien Xordimor zu schütteln. Seine Gesichtszüge entgleisten. Das Krokodilmaul schrumpfte, wurde zu einem normalen Menschengesicht.
    Trotz seines weißen Haars war er nicht alt. Er war auch nicht jung. Er war alterslos – irgendwo zwischen achtundzwanzig und achtundfünfzig. Seine Augen waren blau, grün, braun und schwarz, und sie schillerten. Sein Blick war wach und ausgeschlafen, aber alt, steinalt .
    Der Weiße Ritter.
    »Du?«, fragte Aruula. »Die hinter allem stehende Macht?«
    Der Ritter nickte und stand auf.
    Aruula wusste nicht, was genau in den vergangenen Sekunden mit ihm passiert war, doch nun war alles an ihm strahlend weiß, wie damals, in dem riesigen weißen Raum, wo die Prüfungen begonnen hatten. Die silberne Brustplatte glänzte so makellos, dass sie sich in ihr spiegelte.
    »Wer ist dieser Mann?«, fragte Graf Zarrat. »Ist das Xordimor?« Er war völlig durcheinander. »Ich glaube kaum, dass meine Leute das Buch noch finden werden. Ich muss ihm wohl doch den Kopf abschlagen.«
    »Schweig, Simulacrum«, sagte der Weiße Ritter, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Zarrat schloss die Augen und wurde zu einem Standbild.
    Malie trat näher. »Ich hab’s mir doch gedacht.« Sie deutete mit dem Kinn auf die leblosen Gerippe. »Alles ist nur Mummenschanz, inszeniert von jemandem, der mit einem Sammelsurium von Klischees und Archetypen arbeitet.«
    »Man muss halt mit dem auskommen, was der Markt einem bietet«, erwiderte der Weiße Ritter lakonisch und faltete die Hände. »Mein Markt ist nun einmal der menschliche Geist, wie er mir seit vierzigtausend Jahren begegnet. Es ist nicht immer der gleiche Geist: Manchmal ist er gebildet oder intelligent, viel öfter aber von abgrundtiefer Primitivität. Fast alle Menschen haben Vorurteile und denken in Klischees. Nach meiner Erfahrung wird sich daran auch nicht viel ändern. Es sei denn, es gelingt meiner Legion, die Dummheit zu besiegen, die mit dem Wandler Einzug auf diesem Planeten gehalten hat.«
    Aruula lauschte dem Weißen Ritter mit offenem Mund. Er verwendete viele Wörter, die ihr fremd waren – beziehungsweise solche, die sie in anderen Zusammenhängen kannte: Dass der menschliche Geist ein Markt sein konnte, war nur eins der Rätsel.
    Ein Wort jedoch elektrisierte sie: Wandler! Es war also tatsächlich wahr: Die hinter allem stehende Macht – der brennende Felsen – der Weiße Ritter – kannte den vermeintlichen Kometen und die Daa’muren! Und betrachtete sie als Feind!
    »Welchem Zweck dient das alles hier?«, hörte sie Malie fragen. »Um zu wissen, ob wir mit einem Schwert umgehen können, hättest du uns auch in der Wüste gegeneinander antreten lassen können.« Sie deutete um sich. »Dazu hätte es all dieser Spielereien nicht bedurft.«
    »Es geht um weit mehr.« Der Weiße Ritter musterte das Bild, aus dem er gestiegen war. Sein Thron war nun verwaist. »Ich kann es Ihnen nicht sagen, Gnädigste, weil mir die passenden Worte dazu fehlen und Ihr Geist nicht imstande ist, die Zusammenhänge zu verarbeiten. Wir entstammen unterschiedlichen Kulturen. Sie sind so unterschiedlich wie Menschen und…« Er zögerte. »… Kakerlaken.«
    »Danke.« Aruula schnaubte wütend. Die Beleidigung war ihr nicht entgangen.
    »In der langen Zeit, die ich hier verbracht habe«, sagte der Weiße Ritter und schritt um das Monument herum, das Graf Zarrat nun war, »habe ich unter anderem gelernt, dass es nicht unbedingt angeraten ist, Ironie dort einzusetzen, wo es einem gefällt, weil nicht jeder sie versteht. So wie diese kleine Barbarin.«
    »Nochmals danke«, fauchte Aruula, um ihm zu zeigen, dass sie sehr wohl wusste, wovon er redete.
    »Und was das betrifft, was Sie Spielereien nennen«, fuhr der Weiße Ritter fort, »so handelt es sich nur um ein aus dem Stegreif komponiertes Taschenuniversum, in dem ich gewisse Dinge ablege, um die ich mich aus bestimmten Gründen nicht ständig kümmern kann. Es gibt eine ganze Masse davon, aber aus nahe liegenden Gründen kann ich keinem mehr als ein Promille meiner geistigen Kapazitäten widmen.«
    »Was beschäftigt dich denn so?«, warf Aruula ein.
    »Endlos viele Dinge.« Der Weiße Ritter drückte mit der Spitze seines rechten Zeigefingers auf Zarrats Nase, und der Graf fiel nach hinten und klatschte auf den Boden. »Augen zu und liegen bleiben«, sagte der Weiße Ritter. Zarrat
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