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179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit
Autoren: Ronald M. Hahn
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kam wieder hoch. »Hier ist vieles nicht so, wie es scheint.«
    »Wo sind deine Gefährten?«, fragte Aruula.
    »Sie sind… so gut wie tot.«
    »So gut wie tot?« Aruula blickte verwundert drein.
    Malie seufzte. »Ihr Zustand ist schwer zu erklären. Das Gleiche gilt auch für die anderen…«
    »Welche anderen?« Die Sache wurde immer mysteriöser.
    »Schon vor uns sind Kommandos in den Turm eingedrungen, um Xordimor zu exekutieren«, sagte Malie.
    »In wessen Auftrag?«
    »In Graf Zarrats Auftrag.«
    »Wenn es vor eurem Kommando schon andere gab, wieso hat Zarrat es mir verschwiegen?«
    »Er ist ein Simulacrum«, erklärte Malie. »Er hat keinen eigenen Kopf. Er führt nur aus, was die Macht ihm aufträgt. Er lebt nur im Augenblick – falls man diese Form der Existenz überhaupt Leben nennen kann. Das ist für alle Simulacren typisch. Über das Gestern spricht man nur, wenn die Dramaturgie es erfordert. Und auch nur dann weiß man von ihr.«
    Aruula schwirrte allmählich der Kopf. Es war schwierig, Malie zu folgen; sie redete fast wie Maddrax oder die Technos.
    »Wieso wusste Theopheel von eurem Kommando?«
    »Theopheel? Der kleine Gauner, der dem Grafen einen Trank zur Potenzsteigerung zusammengemischt hat, der dann aber die entgegen gesetzte Wirkung hatte?«
    Aruula hätte beinahe gekichert, aber dafür war die Lage zu ernst. »So gut kenne ich ihn zwar nicht, aber so wie die Leute auf ihn reagieren, wäre es ihm zuzutrauen. Er hat aber auch Tinkturen entwickelt, die etwas taugen.« Sie berichtete von der raschen Zersetzung des Sköldpadd-Kadavers.
    Malie wirkte nachdenklich. »Ich glaube, Theopheel ist ebenfalls echt.«
    »In welchem Sinn ist er echt?«
    »In dem Sinn, dass auch er eine Prüfung absolvieren muss.«
    Malie verfiel in ein finsteres Schweigen, dann sagte sie:
    »Hoffen wir nicht, dass ihm das Gleiche widerfährt wie den anderen, die einen Fuß in diesen grässlichen Pfuhl gesetzt haben.«
    »Wie meinst du das?«
    Malie stand auf. »Komm mit.« Sie zog eine Leuchtknolle unter ihrem Gewand hervor. In ihrem Schein durchquerte sie den Raum und trat an eine Tür, die sich fast geräuschlos öffnen ließ.
    Aruula schaute hindurch. Der Raum war leer. Nein. Dort in der Ecke hockten drei verschwitzte, übel riechende Gestalten, die vor sich hin stierten.
    »Wer sind diese Leute?«, hauchte Aruula.
    »Unsere Vorgänger. Sie sind alle krank. Wenn man längere Zeit in dieser Welt bleibt, wird man immer schwermütiger und verfällt schließlich in Apathie. Die Leute dort sind wandelnde Gespenster. Sie siechen dahin, aber sie sterben nicht. Ich bin schon einem guten Dutzend dieser Elendsgestalten begegnet. Manche sagen, sie wären seit Monden hier. Ihr Proviant ist längst aufgebraucht, aber sie verhungern und verdursten trotzdem nicht.«
    Malie zog die Tür wieder zu. Keine Gestalt in dem Raum hatte auch nur mit der Wimper gezuckt. Die Frauen kehrten dorthin zurück, wo sie zuvor gewesen waren.
    »Was geht hier vor?«, fragte Aruula.
    Malie beugte sich vor. »Wie viel weißt du, Aruula?«
    »Worüber?« Aruula runzelte die Stirn.
    »Über unseren Aufenthaltsort.« Malies Augen funkelten.
    Aruula lehnte sich zurück. Die Kühle der Wand brachte sie wieder zu sich. Sie dachte an ihre äußerst verwirrenden Reisen durch Zeit und Raum – und an Yngves Tod, der sie ausgelöst hatte.
    »Ist er dir auch erschienen, Aruula?«, fragte Malie mit Nachdruck. »Der Weiße Ritter?«
    Aruula nickte. »Ja. Dir auch?«
    Malie befeuchtete ihre Lippen. »Auch du bist dem Ruf gefolgt, nicht wahr?«
    »Dem brennenden Fels…« Aruula beugte sich vor. Ein Glücksgefühl breitete sich in ihrem Herzen aus. Seit Yngves Tod hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, mit einem echten Menschen zu reden.
    »In welcher Sprache verständigst du dich?«, erkundigte sich Malie.
    Eine seltsame Frage, fand Aruula. »Hauptsächlich in der Sprache der Wandernden Völker«, antwortete sie. »Aber ich habe auf meinen Reisen viele Zungen gehört, in denen ich mich gut genug verständigen kann, um nicht zu verhungern – und Maddrax hat mich in seiner Muttersprache unterrichtet.«
    »Welche Sprache sprichst du jetzt im Moment?«
    »Ähm…« Aruula musste gestehen, dass sie es nicht wusste.
    »Ist dir aufgefallen, dass du hier alle Menschen verstehst, obwohl das, was sie sagen, mit den Bewegungen ihrer Lippen nicht übereinstimmt?«
    »Ja, genau!« Aruula nickte.
    »Daran siehst du, dass diese Welt nicht wirklich ist. Der Weiße Ritter hat sie
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