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179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit
Autoren: Ronald M. Hahn
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Kerle schlafen, schnappen wir uns zwei ihrer Reittiere und machen uns damit aus dem Staub.«
    »Wie originell! Darauf wäre ich nie gekommen!« Aruula verzog spöttisch den Mund. »Kannst du reiten?«
    Yngve warf sich in die Brust. »Ich wurde praktisch im Sattel geboren.«
    »Dein Wort in Wudans Ohr«, erwiderte Aruula. »Wenn diese Leute klüger sind, als ihre Reittiere aussehen, stellen sie bestimmt eine Wache auf.«
    Yngve zuckte die Achseln. »Dann hat die Wache eben Pech.«
    Sinnlose Gewalt war Aruula zuwider. Es war unehrenhaft, jemandem im Dunkel der Nacht von hinten die Kehle durchzuschneiden.
    Andererseits: Hätten die Fremden sich in Aruulas und Yngves Situation befunden, hätten sie ihnen vermutlich nicht nur die Kehle durchgeschnitten, sondern sie anschließend auch noch über dem Feuer geröstet.
    »Na schön.« Sie nickte. »Dann stehle ich derweil das, was wir sonst noch brauchen.«
    »Ein ebenso gerissener Plan«, gab Yngve grinsend zurück.
    Dann legte er sich nieder. »Übernimm die erste Wache. Wenn sie schlafen, weck mich. Dann schlagen wir zu.« Fünf Sekunden später kündeten regelmäßige Atemzüge davon, dass er eingeschlafen war.
    Aruula setzte sich und umschlang ihre Knie mit den Armen, den Kopf gesenkt. Schon tastete ihr Lauschsinn hinaus. Er stieß auf die mentale Ausstrahlung der noch wachen Männer und registrierte Bilder und Empfindungen. Sie reichten aus, um ihr zu zeigen, dass die Reiter Ordnungskräfte waren. Ihr Volk lebte zwei Tagesritte von hier entfernt. Sie waren auf der Suche nach Dieben, die eine Nutztierherde gestohlen hatten – allem Anschein nach ein todeswürdiges Verbrechen.
    Fein, da haben wir ja genau die Richtigen ausgesucht.
    Wenn ihr Lauschsinn nicht trog, waren fünf Männer bereits eingeschlafen. Drei weitere waren kurz davor. Der neunte Mann dachte an den zehnten, der sich vom Lagerplatz entfernt hatte, um in der Finsternis sein Wasser abzuschlagen. Er selbst stand bei den Schecken und legte gerade dem letzten von ihnen Fußfesseln an.
    Die drei Einnickenden stürzten in Sekundenabständen in die Tiefen des Schlafes.
    Der Notdurftverrichter kam zurück, winkte dem Wächter zu, rollte sich unter einem Baum in seinen Schlafsack und schlief ebenfalls ein.
    Ssssssssssss. Neun schlafende Hirne summten hohl. Aruula wartete noch fünfzehn Minuten, dann legte sie eine Hand auf Yngves Rücken.
    Der Krieger war sofort wach. Obwohl er auf dem Bauch liegen blieb, merkte sie, dass sein Geist auf Wanderschaft ging.
    Yngves Fähigkeiten unterschieden sich von den ihren.
    Aruulas inneres Auge erspähte einen feinen Dunst. Er war natürlich nicht wirklich da: Kein normales Auge hätte ihn gesehen. Er schien Yngves Hinterkopf zu entströmen.
    Es war faszinierend zuzuschauen, wie er zu den Schlafenden zog und sie umkreiste. Als Aruulas Sinne ihn berührten, spürte sie ein elektrisches Kitzeln im Unterleib.
    Huh… Sie krümmte sich, denn das Gefühl war sehr lustvoll.
    Lustgefühle waren allerdings das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte.
    Entschuldige , sagte Yngves körperlose Stimme. Du hättest nicht so nah rankommen dürfen.
    »Schon gut.« Sie reckte sich, um den letzten Rest des Kitzels zu vertreiben, und stand auf.
    Auch Yngve erhob sich. Sie blieben geduckt stehen und verständigten sich lautlos mit Bildern. Sie besagten, wie jeder von ihnen vorzugehen gedachte.
    Einverstanden. Yngve huschte davon. Er verschmolz mit dem Gras und den Sträuchern, die zwischen den im Wind raschelnden Bäumen wuchsen. Aruula lauschte dem Pochen ihres Herzens, dem Knistern und Flüstern der Natur, zog ihre Klinge und schlug eine andere Richtung ein.
    Sie hatte den Ort gerade erreicht, an dem die Reiter schliefen, als jemand leise aufstöhnte. Ihr Geist empfing das Bild eines Mannes, der von hinten umklammert wurde. Seine Luft wurde knapp. Er verlor die Besinnung. Das Bild löste sich auf.
    Aruulas wacher Blick wanderte über die Schlafenden und ihre Ausrüstung. Ihr Lauschsinn erfasste sehr blasse Bilder aus ihren Hirnen: Einige fürchteten sich vor namenlosen Dämonen, andere hatten Angst, dass ihre persönlichsten Geheimnisse eines Tages ans Licht kämen. Alle schliefen den Schlaf von Erschöpften und würden erst in vielen Stunden wieder zu sich kommen.
    Wenn sie zuvor nicht etwas weckte.
    Aruula hängte sich über die Schultern, was sie auf ihrem Weg brauchen konnten: Zwei mit Ledergurten verbundene Satteltaschen und einen Wasserschlauch. Er war halb leer, aber man konnte ihn wieder
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