Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
dass sie beinahe ihre gesamte Mundhöhle ausfüllte.
    »Chrrr…« Aruula hörte sich röcheln. Warum tat ihr Arm so weh?
    Sie öffnete ein Auge und sah nur Dunkelheit. Nein, da waren Sterne – aber sie schwangen hin und her!
    Es dauerte noch einige weitere Sekunden, bis Aruula begriff, dass sie sich bewegte; dass sie getragen wurde! Ihr schwerfälliger Geist dachte zuerst an die Schecken, doch die waren ja längst tot.
    Im gleichen Moment wurde ihr bewusst, dass auch Yngve zu den Ahnen gegangen war. Und sie dachte an das Ungeheuer, gegen das sie gekämpft hatte. Sie verlor wieder die Besinnung.
    Stimmen flüsterten auf sie ein. Sie erschienen Aruula wie besorgte Gottheiten, die ein kleines Tier streichelten, das ihnen anvertraut war.
    Und sie kümmerten sich gut um sie! Wasser füllte nun in regelmäßigen Abständen ihre Mundhöhle. Irgendwann, als der Schmerz in ihrem Arm nachließ und die entsetzliche Erschöpfung einer einfachen Müdigkeit Platz machte, erwachte Aruula aufs Neue.
    In der Dämmerung eines beginnenden Tages sah sie einen großen Steinwürfel aus dem Boden ragen. Sie lag – angebunden? – auf den Rücken eines Mannes mit breiten Schultern und kurzem, wolligen Haar. Sein Nacken und seine Schultern waren schwarz. Er schritt mit einer Ruhe aus, die ihresgleichen suchte. Aruulas Kinn ruhte auf seiner rechten Schulter.
    Als sie zur Seite schaute, erspähte sie einen weiteren Mann mit Wollhaar. Er hatte eine aufragende Nase. Dass sie ihn anschaute, schien ihn zu überraschen, denn er sprach ein paar aufgeregte Worte.
    Schon war Aruula wieder weg. Die Außenwelt löste sich in Wohlgefallen auf. Der Duft fremdartiger roter Blumen hüllte sie ein. Sie vergaß alles, was hinter ihr lag.
    Als sie das nächste Mal zu sich kam, schien eine Menge Zeit vergangen zu sein, denn sie war ausgeschlafen und fühlte sich satt und stark.
    Doch wo war sie?
    Aruula schaute sich um. Beim letzten Erwachen hatte sie Licht gesehen. Nun war es dunkler als eine Nacht im Freien.
    Befand sie sich in einem geschlossenen Raum?
    Sie lag da, ohne sich zu rühren, und lauschte. Kein Lufthauch. Sie tastete mit den Händen um sich. Unter ihr war eine Strohmatte. Die Umgebung roch nach… Sie zog die Nase kraus. Ja, so rochen die Kellerräume vergessener Städte …
    Sie hob vorsichtig den Kopf. Versuchte die Augen an die Finsternis zu gewöhnen. Nichts rührte sich. Sie schien keine Gefangene zu sein, denn sie war nicht gefesselt.
    Aruula richtete sich langsam auf. Hinter ihrem Rücken war eine Steinwand. Sie lehnte sich dagegen, zog die Beine an, nahm die Position ein, in der sie am besten mit den Sinnen lauschen konnte.
    Sie musste wissen, wo sie sich befand; ob die Männer, die sie gefunden und hierher gebracht hatten, Freund oder Feind waren. Ob sie einer Kultur angehörten oder dumpfe Barbaren waren, die alles aufsammelten, was sie in der Steppe fanden – um es später zu verkaufen oder aufzuessen.
    Wenn sie auch den Eindruck hatte, dass ihr Körper ausgeschlafen war – ihre Sinne waren noch geschwächt. Sie fühlte sich beim Lauschen wie jemand, der sturzbetrunken im Zickzack durch eine Gasse torkelt und alle paar Meter von Hauswänden abprallt. Ein Käfig aus Energie schien den Raum zu umgeben, in dem sie war. Ihre Sinne prallten ab.
    Dennoch spürte sie, dass sie nicht allein war: Irgendwo in der näheren Umgebung standen Lebewesen miteinander in Kontakt. Es waren Menschen, keine Tiere.
    Und es waren keine Primitiven – keine Kannibalen. Aruula atmete auf. Unglücklicherweise konnte sie nicht feststellen, ob die Menschen draußen ihr böse oder wohl gesonnen waren: Die Ausstrahlung ihrer Geister war wie gefiltert.
    Aruula konnte nicht mal erkennen, um wie viele es sich handelte. Es waren allerdings mehr als zwei.
    Sie stand auf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Es war Furcht erregend, in einem dunklen Raum zu erwachen, der sich unter der Erde befand, und seine Gastgeber nicht zu kennen. Wo war ihr Schwert?
    Als sie stand, hatten sich ihre Augen so weit an die Finsternis gewöhnt, dass sie einen Ausgang mehr erahnen als wirklich sehen konnte. Er war verhängt. Aruula trat vor und streckte den Arm aus.
    Ein Vorhang aus hauchdünnem Leder. Sie zog ihn beiseite.
    Ein Gang, eng und niedrig. Grob verputzt. Immerhin keine Grotte. Er war vielleicht zehn Meter lang. Rechts und links schiefe Eisentüren, dahinter finstere, muffig riechende Räume.
    Aruula wusste, wo sie war. Während ihrer Wanderschaft durch die versunkenen Reiche
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher