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179 - Gefangene der Traumzeit

179 - Gefangene der Traumzeit

Titel: 179 - Gefangene der Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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stand.
    Über ihr ging der Schacht weiter. Vermutlich reichte er bis in die Turmspitze. Aber ihr war nicht danach, in höhere Etagen aufzusteigen: Ein Treppenhaus brachte sie viel bequemer ans Ziel.
    Aruula zog sich ins Freie, half Theopheel aus dem Schacht und schaute sich um. »Wo sind wir hier?« Ihre Stimme klang gespenstisch und hohl.
    »Keine Ahnung.« Zarrat zuckte die Achseln. »Vermutlich war das mal ein Lagerraum.« Er deutete in die Ecken. Aruula leuchtete den Raum aus, sah aber nur verrottete Kartoffelsäcke und Ratzenkot. Sie fragte sich unwillkürlich, wovon sich die Verbannten in den letzten neunundneunzig Jahren eigentlich ernährt hatten.
    Die Wände bestanden aus dicken Steinquadern. Eiserne Ringe deuteten an, dass man die Räume hier mit Pechfackeln erhellte.
    Dann fand sie eine Öllaterne, und gleich daneben eine mit Metall beschlagene Tür. Sie war nicht abgeschlossen. Aruula drückte ein Ohr ans Türblatt. Nichts. Vorsichtig drückte sie die Pforte auf; dankenswerterweise quietschte sie kaum.
    Aruula riskierte im Schein von Zarrats Leuchte einen Blick in einen Kellergang. Er sah aus wie tausend andere. Rechts und links lagen verschlossene Türen.
    Sie schlich hinaus und spitzte die Ohren. Alles war gespenstisch still. Das Pochen ihres Herzens klang laut in der unheimlichen Umgebung.
    Der Gang endete nach einer zehn Stufen hohen Treppe an einer Tür. Während Zarrat daran lauschte, lugte Aruula durchs Schlüsselloch. Nirgendwo brannte eine Laterne oder Fackel. Nirgends ertönte ein Laut. Es war totenstill hier unten.
    »Warum sind die Turmbewohner nicht in Aufruhr?«, flüsterte sie. »Ist Xordimor denn blind? Er sieht doch das Feuer der Söldner vor seinem Gefängnis! Fragt er sich nicht, was sie dort machen? Ich würde mich auf einen Kampf vorbereiten und keine Schlupflöcher wie diesen Schacht unbewacht lassen!«
    »Vielleicht weiß er gar nichts von dem Schacht«, sagte Theopheel.
    »Schwachkopf«, fauchte der Graf. »Meinst du, er weiß nicht, wohin seine Exkremente…« Er hielt inne und dachte nach.
    »Moment mal…« Dann nickte er. »Ihr könntet Recht haben!«, lenkte er ein. »Da keine Möglichkeit besteht, in einem Gefängnis wie diesem für fast hundert Jahre Proviant einzulagern – geschweige denn frisch zu halten –, muss der Bann wichtige Körperfunktionen ausgeschaltet haben.«
    »Xordimor und seine Leute… essen nichts?«, fragte Aruula ungläubig. » Gar nichts?«
    Der Graf nickte. »Nur deswegen haben wir den Tunnel überhaupt beschreiten können. Normalerweise müsste da unten der Kot tonnenweise liegen.«
    »Welch geschmackvolles Thema«, warf Theopheel ein.
    »Trotzdem hätte mich der Gestank fast umgebracht.« Aruula bückte sich, um noch einen Blick durchs Schlüsselloch zu werfen.
    Vielleicht rettete ihr dies das Leben.
    Die Tür wurde von außen aufgerissen und ein eiskalter Hauch fegte über sie hinweg. Der Graf stöhnte. Theopheel schrie.
    Aruula kannte das Sirren über sich: So klang scharfes Metall, das die Luft zerteilte! Sie warf sich flach auf den Bauch. Vor ihr wogten wallende Gewänder. Keine Chance das Schwert zu heben. Sie konnte sich nur tot stellen und hoffen, dass niemand gesehen hatte, wie die Klinge sie verfehlte.
    Sie wusste nicht, wie viele Personen über sie hinweg stürmten, als wäre sie ein Teppichläufer. Doch obwohl mancher Fuß ihren hingestreckten Körper traf, kamen ihr die Gestalten federleicht vor.
    Sie waren im Nu vorbei. Als Aruula endlich den Kopf hob, hörte sie das Puffen von Dornspeiern und Geräusche, die wie das Maunzen von Katzen klangen. Sie rollte sich herum.
    Der Graf und Theopheel rannten am anderen Ende des Ganges eine Treppe hinauf. Die Verfolger – sechs an der Zahl – jagten völlig lautlos hinter ihnen her und schwangen eiserne Klingen. Drei Gestalten lagen im Gang auf dem Boden und rührten sich nicht mehr.
    Aruula wollte aufspringen, doch jemand trat auf ihre Schwerthand. Es tat nicht einmal sonderlich weh, da der Mann – oder war es eine Frau? – kaum mehr wog als ein zehnjähriges Kind.
    Als sie den Blick hob und im Schein einer brennenden Fackel eine totenschädelartige Fratze sah, überlief sie ein Schauder.
    »Wudan, steh mir bei!«
    Dunkle Augen musterten sie durchdringend. Der Kopf der schaurigen Gestalt war von einem Turban verhüllt, die untere Gesichtshälfte von einem Schal. Sie trug wallende dunkle Gewänder und Stoffschuhe.
    Als eine Art Einbrecherin mit Mordauftrag durfte sich Aruula nicht wundern,

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